Bolgheri Jahrgang 2020


Jahrgangsbewertung 3 Sterne von 5

2020 - no lockdown for Mother Nature

Wetterverlauf

Während nicht nur Italien den Winter in einem harten lockdown verbrachte blieben die Temperaturen in Bolgheri mild. Gelegentliche Regenfälle ohne Extreme füllten die Wasserreservoirs in den Böden wieder auf. Das Frühjahr startete sehr früh mit ungewöhnlich warmen Temperaturen, was zu einem Blitzstart der Vegetation führte. Für die toskanische Küste sehr ungewöhnlich waren einige Frostnächte im April mit Temperaturen bis -4°C, allerdings selbst in der sehr kleinen Weinregion Bolgheri auch nur in bestimmten Zonen. Während die Blüte der Olivenbäume von diesem Frost stark betroffen war, überstand der später austreibende Wein den Frost schadlos. Die Blüte fand dann auch bei sehr schönem Wetter sehr gute und reguläre Bedingungen vor.

Während die Infektionswelle im Sommer abflachte, genossen die ersten Touristen und auch die Weinreben einen schönen und gleichmäßigen Frühsommer bis zum Ende des Augusts. Den ganzen Sommer blieb es warm ohne Hitzespitzen und weitgehend trocken. Am 30. August jedoch zog ein beängstigendes Unwetter auf, das sich quer über Italien mit schwersten Gewittern und anschließend zahlreichen Überschwemmungen entlud. Zum Glück für die Winzer gab es an der Küste aber keinen Hagel. Der Sommer war gebrochen und es kühlte, begleitet von gelegentlichen Regenfällen, ab. Im September stiegen die Temperaturen tagsüber noch auf bis zu 26 °C, nachts waren es hingegen schon oft nur noch weniger als 10 °C. Diese Unterschiede legten die Grundlage für eine gute Ausreifung der Trauben unter Erhalt von Frische und aromatischer Komplexität. Entscheidend war für die Winzer, die Ernte optimal zwischen die kürzeren Regenunterbrechungen zu legen bzw. in mehreren Durchläufen zu ernten.

Insgesamt ein regulärer, weitgehend ruhiger Wetterverlauf ohne Extreme mit einem frühen Start und einem wechselhaften Sommer. Trockenheit war in 2020 kein Problem, so konnten die Beeren in den vielen Sonnenstunden sehr gut ausreifen. In Summe eher ein Jahr für die Cabernet Sorten in den Höhenlagen von Bolgheri. Ein klassischer Terroir-Jahrgang, bei dem man sehr genau hinsehen muss, welche Parzellen verwendet wurden, da das Mikroklima in Bolgheri innerhalb weniger hundert Meter stark unterschiedlich sein kann. Ein Jahrgang zum Verkosten, nicht zum blind kaufen. Das vielleicht größte Problem des Jahrgangs 2020 ist, dass er zwischen den zwei grandiosen Jahrgängen 2019 und 2021 liegt und dieses Niveau nicht erreichte.

Die Weine en Primeur Anfang September 2022


Der schönste Verkostungssaal der Bolgheri DiVino im Castello di Castagneto Carducci.

Die 2. Bolgheri DiVino Primeurverkostung fand am ersten September-Wochenende 2022 statt. Einige der Superiore-Proben waren noch Fassmuster, sodass nicht immer der finale Blend präsentiert werden konnte. Die Verkostung von 51 Superiore Weinen zeigte eine breite Streuung der Qualitäten. Das ausgeprägte Säureprofil der Weine erinnerte ein wenig an den Jahrgang 2018, dessen Qualitäten er aber ebenfalls nicht ganz erreicht. Die besten Weine kelterten die erfahrensten Önologen aus Trauben aus den Höhenlagen mit satter, reifer Frucht, einer optimalen Säurestruktur und einer geschliffenen Eleganz und Frische. Wem es an sehr guten Weinbergslagen, Equipment und vielleicht auch Erfahrung mangelte spürt das letztlich auch im Wein mit Defekten bei Druck, Balance und Reife der Frucht.

Erinnert sei nochmal an die enorme Komplexität dieses nur rund 1.300 ha großen Anbaugebiets, das sich von 20m bis über 200m Seehöhe erstreckt und man hier fast 30 verschiedene Bodentypen / Mikroterroirs vom Sand bis zum blanken Felsen unterscheidet. Wind, Exposition und Bodenaufbau können in der Kombination in kürzester Distanz Welten bedeuten. Dazu kommen die im Wein verwendeten Rebsorten, das oftmals junge Alter der Rebstöcke und die Philosophie der Kellerarbeit. Bolgheri ist ein faszinierender Mikrokosmos für sich, den man sich nur durch Probieren erschließen kann.

Aus der Momentaufnahme zwei Jahre nach der Ernte greifen wir fünf Weine als Topweine heraus, die auf geheimnisvolle Weise die Jahrgangscharakteristik ignorierten bzw. diese zu ihrem Vorteil nutzen konnten.

- Castello di Bolgheri 2020: in Punkto Finesse und Frucht eine Klasse für sich. Sehr feine Fruchtnase, am Gaumen seidenweich, perfekt integrierte Tannine und Säure.

- Argentiera 2020: verführerische Waldbodenaromatik und Finesse im Bukett. Im Mund noch leicht sperrig und ungestüm, aber ein richtig schöner Wein mit tollem Potenzial.

- Grattamacco 2020: auch der Grattamacco verführt mit seinem großartigen Bukett. Die feine und reife Frucht breitet sich mit unglaublicher Finesse und Eleganz aus.

- Guado al Tasso 2020: schöne Nase von warmer, reifer Frucht. Frucht und Säure schon in sehr guter Balance, Tannine noch merklich aber angenehm. Noch verschlossen, dennoch sehr gutes Potenzial.

- Campo alla Sughera - Arnione 2020: sehr delikate Frucht gepaart mit Eleganz und Balance. Säure optimal dosiert. Von der Nase bis zum Abgang erkennbar auf Finesse und Eleganz ausgelegt.


Die Superiore-Proben des Jahrgangs 2020 waren ausgewählten Journalisten vorbehalten. Dem breiten Publikum wurden nur bereits im Markt verfügbare Weine präsentiert.

In einer zweiten Reihe schließen sich weitere fünf sehr gute Weine an, die über ein gutes Potenzial verfügen, aber vielleicht noch mehr Zeit benötigen.

- Ornellaia 2020: Traumnase mit Waldboden, Kräutern und einer offenen, frischen und reifen schwarzen Frucht. Am Gaumen fast das Gegenteil. Noch extrem fest und verschlossen, das Potenzial lässt sich nur schemenhaft erahnen.

- Chiappini - Guado de' Gemoli 2020: ein richtig guter Wein mit Balance, Frucht und der notwendigen Frische ohne zu viel Grip. Sehr gut gemachter Wein.

- Dario di Vaira - Frank 2020: Waldboden und schwarze Früchte. Schöne Balance aus Frucht und Frische zusammen mit guter Länge im Abgang.

- I Luoghi - Campo al Fico 2020: komplexe, reife Fruchtnase. Delikates Zusammenspiel von Frucht und Säure am Gaumen mit Frische und sehr feiner Lebendigkeit.

- La Madonnina - Opera Omnia 2020: zarte Fruchtnase, dafür guter Druck am Gaumen mit Frucht und fein eingebundener Säure. Harmonisch und gut gemacht.

Insgesamt weder ein schwacher noch ein einfacher Jahrgang. Dort, wo die Frucht gut ausreifen konnte öffnete der Jahrgang mit seiner Frische und Eleganz das Tor zu sehr delikaten und verführerischen Weinen. Ein selektiver Jahrgang mit viel Licht aber auch einigem Schatten. Ein "Schatten-Jahrgang" eben.

Der Sassicaia der Tenuta San Guido nimmt traditionell nicht an dieser Verkostung teil, da der Wein noch einige Monate im Holz reift und die Cuvée noch nicht zusammengestellt wurde.