Bolgheri Jahrgang 2022


Jahrgangsbewertung 4 Sterne von 5

2022 - Wassernotstand im Klimawandel

Das Jahr startete mit einem kalten und relativ trockenen Winter. Ende Februar fehlten bereits 200 mm Regen gegen den durchschnittlichen Niederschlag. Bis weit in den sonnigen März hinein kühlte es nachts bis an den Gefrierpunkt ab. Der lang ersehnte Regen kam in den letzten beiden März-Tagen und füllte die Wasserspeicher zumindest teilweise wieder auf. Während in Deutschland der Winter wieder Einzug hielt, stiegen die Temperaturen in der Toskana schon wieder fast bis auf 20°C. April und Mai zeigten sich unbeständig und deckten den dringend benötigten Wasserbedarf im richtigen Moment.

Der Sommer begann pünktlich Anfang Juni mit Temperaturen regelmäßig schon bis über 30°C, wenig Regen und sehr viel Sonnenschein. Das schon so frühe starke Wachstum der Pflanzen wurde durch eine erste grüne Lese und intensive Laubarbeit kompensiert. Zu den praktisch perfekten Bedingungen passte auch die starke Abkühlung über Nacht. Ab Ende Juni aber wurde die anhaltende Hitze mit extremer Trockenheit zum Problem, nicht nur in der Toskana. Die Gemeinde Castagneto Carducci, in der die Appellation Bolgheri liegt, rationierte sogar das Wasser aus dem Gemeindenetz. Wochenlang blieb es wolkenlos mit Temperaturen am Tag zwischen 33°C und 36°C, nachts nicht unter 22°C. Eine trockene Hitzewelle wie man sie seit Menschengedenken noch nicht gesehen hatte und die 2017 und 2003 noch übertraf.

Erst mit dem Super-Vollmond am 12. August kühlte die Gluthitze etwas ab und erste heftige Wolkenbrüche / Gewitter lieferten den so sehr erwarteten, ergiebigen Regen. In den darauffolgenden Tagen brachten drei weitere Wolkenbrüche knapp 60 mm Regen in Bolgheri. Von den massiven Sturmschäden in der Toskana blieb man, gut geschützt durch die vorgelagerten Inseln Capraia, Korsika und Elba, in Bolgheri verschont. Für die Natur war dies ein Befreiungsschlag, der die Reben zurück in die Balance brachte und ein optimales, deutlich beschleunigtes Ausreifen ermöglichte. Jetzt plötzlich wurde die Ernte vorgezogen.

Noch vor dem ferragosto-Feiertag am 15. August begannen die ersten Weingüter mit der Lese der weißen Rebsorten und ab dem 21. August auch mit den ersten roten Rebsorten. Nach nur wenigen Tagen waren bei der Ernte zwischen den Rebzeilen schon wieder grüne Grasflächen zu sehen und die verbrannte Erde verschwunden. Dennoch blieb es bis weit in den September hinein regnerisch und teilweise stürmisch. Den jeweils optimalen Lesezeitpunkt zu treffen, war für die Ernteteams eine herausfordernde Aufgabe.

Einordnung des Jahrgangs 2022


Am Markt ein schwieriger Jahrgang. Wer sich auskennt, kann jedoch große Weine kaufen, wie z.B. den Biserno 2022.

Ein insgesamt schwieriger Jahrgang, zuerst sehr heiß und dann während der Ernte mit einigem Regen, der die Ernte massiv beschleunigte. Die Weine zeigen sich stark heterogen mit wenigen Top-Weinen, die dem Wetterverlauf trotzten und eine wunderbare Frische in die Weine zaubern konnten. Star des Jahrgangs war einmal mehr der für den Jahrgang herausragende Sassicaia 2022. Sehr gut auch Castello di Bolgheri und der Biserno. Den weniger guten Weinen fehlte am Gaumen in der Mitte etwas der Druck und im Abgang die Länge. Reduzierte Ertragsmengen.

Wegen der rückläufigen Nachfrage der Konsumenten war bei vielen Produzenten zum regulären Releasezeitpunkt der 2021er noch nicht abverkauft. Der Verkaufsstart des 2022er Superiore wurde daher um einige Monate verschoben.