Veuve Clicquot - Cave Privée Tasting

04. August 2015



Im Jahr 2010 feierte das Champagnerhaus Veuve Clicquot seinen 200. Jahrgang. Zu diesem Anlass öffnete man erstmals die Schatzkammer mit den immer noch auf der Hefe gelagerten Jahrgangschampagnern aus großen Jahren, degorgierte einige Flaschen und vermarktete sie unter der Bezeichnung "Cave Privée". Analog der "Plénitude" genannten Philosophie des Schwesterhauses Dom Pérignon wählte man dabei je eine Flasche Blanc und Rosé mit 20 bzw. mit 30 Jahren Reifezeit auf der Hefe. Konkret wurden in 2010 die Jahrgänge 1990 und 1980 (Blanc) sowie 1989 und 1978 (Rosé) vorgestellt. Es war der Beginn einer Serie von Releases, die das Haus alle drei bis vier Jahre plant - immer mit Champagnern, die sich auf dem Höhepunkt ihrer Reife befinden. Man muss sich vor Augen halten, dass nur rund 4% der Ernte eines Veuve Clicquot Jahrgangs dem Vintage vorbehalten bleiben, wenn er denn überhaupt deklariert wird. Grundvoraussetzung für einen Vintage Champagner ist bei Veuve Clicquot insbesondere die perfekte Reife des Pinot Noir, dem das Haus eine Schlüsselrolle vorbehält. Von dieser kleinen Menge an Vintage-Flaschen hält das Champagnerhaus nur etwa 5% in seiner Cave Privée Reserve. Ob diese Reserve dann tatsächlich vermarktet wird, hängt von der Entwicklung des Champagners ab, da gibt es positive Überraschungen und auch Enttäuschungen. Cave Privée Champagner sind also etwas sehr seltenes und wertvolles, die Flaschen kommen nur in sehr kleinen Stückzahlen in den Markt. Für das Image des Hauses und sein Qualitätsstreben aber haben sie hohe Bedeutung und genießen große Aufmerksamkeit.


Zu den Verkostungsnotizen Veuve Clicquot - Cave Privée


VC Cave Privée 1989 (94 WR)

VC Cave Privée 1982 (99 WR)

VC Cave Privée 1990 Rosé (98 WR)

VC Cave Privée 1979 Rosé (96 WR)



Dominique Demarville verkostet seine Cave Privée Champagner mit großer Konzentration, keine Nuance entgeht ihm.

Dominique Demarville empfängt uns zu einer denkwürdigen Verkostung der aktuellen Cave Privée Jahrgänge, die alle vier im Jahr 2014 auf den Markt gebracht wurden. Pünktlich melden wir uns im Veuve Clicquot Besucherzentrum in Reims am Empfang an. Nein, das Treffen sei gar nicht hier, sondern um das Gebäude herum. Wir sollen uns an der Pforte zum Kellereigelände anmelden und ja, das Auto können wir stehen lassen, es sei nicht weit. Mehrere hundert Meter später bedauern wir angesichts der hohen Temperaturen, nicht doch das Auto genommen zu haben, ein ordentlicher Fußmarsch zeichnet sich ab. Das Gelände von Veuve Clicquot ist einfach riesig. Nach fast 10 Minuten erreichen wir etwas erschöpft die Pforte. Der Kellermeister holt uns persönlich dort ab, sein Büro liegt gleich im Nachbargebäude. Alles hier ist sehr funktionell, ganz im Gegensatz zum Marketingrummel am Besucherzentrum. Hier geht es nicht um Marketing, hier geht es nur um große Champagner, das wird sofort klar. Schade eigentlich, dass dieser Aspekt den Konsumenten so gar nicht vermittelt wird.

Dominique Demarville hat in der Champagne eine sehr steile Karriere hinter sich. Nach dem Oenologiestudium in Avize und Dijon wurde er 1998 mit 31 Jahren Kellermeister von Champagne Mumm und konnte schnell die Qualität der Produkte verbessern. Sein exzellenter Ruf verbreitete sich rasch. 2009 folgte er dem Angebot, als erst 10. Kellermeister in die 240 jährige Geschichte des Hauses Veuve Clicquot einzugehen. Er fühlt sich sichtlich der Tradition und dem Qualitätsanspruch dieses bedeutenden Hauses verpflichtet, ist ausgesprochen offen und kommunikativ und zu jeder Sekunde auf seine Produkte konzentriert und fokussiert. Sofort betont er, dass der Hauptfokus der Arbeit seines Teams auf der Basisqualität, dem sogenannten "Gelben Etikett (Yellow Label)", dem Blanc Brut, liegt. Er ist das großvolumige Produkt des Hauses und wird mit größter Sorgfalt Jahr für Jahr im gleichen Stil produziert.


Die vier aktuellen Cave Privée Champagner (vlnr) 1989, 1982, Rosé 1990, Rosé 1979.

Und so beginnt die Verkostung auch mit dem Blanc Brut, eine weise Entscheidung, wie wir gleich später bemerken werden. Einen Veuve Clicquot kann man relativ leicht erkennen, er ist immer ein Champagner mit enormer Kraft, einer seidenen Textur und einer verführerischen Cremigkeit mit langem Abgang. Die tiefe Gelbfärbung und die massive Aromendichte der Frucht lässt keinen Zweifel an der Bedeutung des Pinot Noir für das Haus Veuve Clicquot zu. Vinifiziert wird jede Parzelle einzeln, der Kellermeister greift so auf rund 2000 Grundweine aus 18 verschiedenen Jahrgängen zurück. Für den klassischen Brut werden davon etwa 400 bis 500 ausgewählt, die meist aus sechs oder sieben Jahrgängen stammen. Im aktuellen Yellow Label sind 58% der Trauben aus dem Jahrgang 2010, die Reserveweine gehen zurück bis ins Jahr 2000.

Bereits eine Spezialität ist der Rosé, der in Richtung Frucht ausgelegt ist und etwa 15% Rotwein enthält. Nur in sehr guten Jahren, in denen der Pinot Noir perfekt ausreifen konnte, stellt man einen Jahrgangschampagner her, einen Vintage. Dieses Produkt mit nur 4% Mengenanteil zielt auf die gehobene Gastronomie ab, ist noch kraftvoller und zeigt einen deutlichen Jahrgangscharakter. Vom Vintage gibt es meist auch eine Rosé Variante, die einen noch höheren Rotweinanteil enthält, die Trauben stammen ausschließlich aus Grand Cru und Premier Cru Lagen. Das Spitzenprodukt, die Grande Dame genannte Cuvée ist immer ein Vintage und stark auf Finesse ausgelegt und auch als Rosé erhältlich. Die Trauben stammen nur aus Grand Cru Lagen, was das Volumen auf nur 1% der Ernte beschränkt.



Ganze 30 ha von insgesamt 350 ha Rebfläche des Hauses Veuve Clicquot sind dem Rotwein gewidmet, darunter sehr bedeutende und wertvolle Grand Cru Flächen in und um Bouzy. Die hohe Aufmerksamkeit, die man diesem Besitz schenkt zeigt sich auch in einem eigenen Weingut in Bouzy und zweier Oenologen, die sich ausschließlich um den Pinot Noir kümmern. Das Weingut ist dabei nur rund vier Wochen im Jahr in Betrieb und dient dem Sammeln und der Fermentation der Trauben vor Ort. Nach dem Abtrennen der Schalen nach etwa 8-10 Tagen (in Ausnahmefällen 12 Tagen) wird der Wein dann zum Ausbau sofort ins Stammhaus nach Reims transportiert, das Weingut in Bouzy wieder geschlossen. Dominique Demarville verrät auch, dass man von den sehr wertvollen Grundweinen das eine oder andere Barrique abfüllt und als Rotwein ausbaut. Diese Rotweine werden dann im Gästehaus von Veuve Clicquot bei exklusiven Einladungen ausgeschenkt. Früher einmal gab es sogar Rotweine aus Bouzy zu kaufen.

Die in Bouzy angebauten Pinot Noir Rotweine werden den Jahrgangs-Rosé-Champagnern mit einem Anteil von bis zu 20% zugegeben und damit auch den Cave Privée Rosés. Sie verleihen den Champagnern nicht nur ihre typische Kupferfarbe, sondern auch einen fruchtig-weinigen Charakter mit vollem Körper. Die Rotweine aus Pinot Noir und Pinot Meunier stehen in diesen Rosé-Champagnern für rund 70% der Cuvée, für den weißen Chardonnay bleiben nur etwas weniger als 30%. Aber das wirklich faszinierende der Cave Privée Champagner ist die enorme Zunahme an Qualität durch die lange Hefe-Lagerung. Nach 20 bzw. 30 Jahren präsentieren sie sich auf verblüffende Weise frisch und präsent, gleichzeitig in perfekter Balance aus Frucht und Säure. Insbesondere der 1982er Blanc sticht heraus, ein schier betörender Champagner von komplexer Frucht, Frische und spielerischer Tiefe. Den ganz großen Weinen und Champagnern gelingt es immer wieder, alle für unmöglich gehaltenen Gegensätze im Glas zu vereinen. Wie so etwas dennoch realisierbar ist bleibt wohl immer ein Rätsel.



Mit der Cave Privée beweist das Haus Veuve Clicquot natürlich auch seine Kompetenz in Sachen Qualität. Man spürt aber deutlich, dass diese Releases auch ein Lieblingsprojekt von Dominique Demarville sind. Selbstverständlich war er nicht für diese weit zurück liegenden Jahrgänge verantwortlich, aber die Auswahl der Champagner und der Release Zeitpunkte gehen sehr wohl auf sein Konto. Zudem betont er immer wieder, dass die Weinberge der Champagne ein dem Burgund sehr ähnliches Patchwork verschiedenster Terroirs darstellen. Doch er fasst den Terroirbegriff noch weiter und schließt neben den Boden- und Mikroklimaverhältnissen insbesondere die 300-jährige Weinbautradition in der Champagne ein. Dieser Tradition und der Übersetzung der Erfahrungen in die Moderne fühlt er sich verpflichtet. Große Burgunder bewundert er offen und verrät seinen Favoriten: den La Tâche von Romanée Conti. Auch ein La Tâche benötigt Jahrzehnte der Flaschenreife, um seinen Genusshöhepunkt zu erreichen. Dass seine Cave Privée Champagner ebenfalls über Jahrzehnte zu einem Hochgenuss reifen können, diesen Beweis möchte er gerne antreten. Angesichts der winzigen Mengen dieser Champagner ist es allerdings nur wenigen Liebhabern vorbehalten, sich selbst davon zu überzeugen, dass dies bestens gelungen ist.

Der Rückweg zum Parkplatz kam uns irgendwie sehr kurz vor, das Auto mitzunehmen hätte sich doch nicht gelohnt. Da sieht man wieder einmal, wie die Gemütsverfassung selbst simple Fakten verschieben kann.