Bartolo Mascarello

Das kleine aber legendäre Weingut Bartolo Mascarello steht wie kein anderes im Piemont für Tradition. Hier wurde und wird sie zur Religion erhoben. Dem Ruf und der Qualität der Weine hat dies aber nie geschadet. Im Gegenteil: die gesamte Produktpalette ist geprägt von einer ätherischen Fülle und Leichtigkeit, die süchtig macht.

Via Roma 15 | I-12060 Barolo | Italien |

Über Bartolo Mascarello


Der Versuch, bei Maria-Teresa Mascarello einen Termin zu vereinbaren gestaltet sich für einen Zeitgenossen der Moderne nicht einfach. Keine eMail, kein Internet und nur ein Festnetztelefon, so ist überall zu lesen, verbinden sie mit der Außenwelt. Und eine Türklingel! Also hinfahren, klingeln und nach einem Termin fragen. Der wurde mit großer Freundlichkeit auch sofort gemacht. Erstaunt stellt man sogleich fest, dass es hier so aussieht wie in einem Atelier eines zeitgenössischen Malers. Edle Materialien mit viel Geschmack modern kombiniert. Und ein Blackberry der Besitzerin liegt auf dem Tisch. Ein Schock. Die Spannung und Erwartung für den ausgemachten Termin wächst.

Weingut, Büro und Atelier sind hier funktional auf engstem Raum zusammengefasst.

Das Weingut im Zentrum des Ortes Barolo ist wirklich klein, die Platzverhältnisse sind so eng, dass man nicht einmal Holzkisten lagern kann und daher auch keine anbietet. Ganze fünf Betontanks und zwei große Holzfässer dienen als Fermentationsbehälter. Die Welt scheint sich um diesen Punkt in Barolo zu drehen. Die Außenwelt kommt herein, nicht umgekehrt. Die studierte Germanistin und Romanistin spricht sehr gut Deutsch und was sie sagt ist durchdacht und kaum noch zu hinterfragen. Das Winzerhandwerk hat sie von ihrem Vater gelernt und er war eine der ganz großen Persönlichkeiten der Langhe-Region. Sein kämpferischer Intellekt und seine großartigen Baroli haben in der Region tiefe Spuren hinterlassen. Er war der Hort der Traditionalisten, sein Etikett auf dem 1999er Barolo "No Barriques - No Berlusconi" fasst in nur vier Worten seine ganze Philosophie zusammen. Seine Persönlichkeit überstrahlt auch viele Jahre nach seinem Ableben die großen Fässer aus slawonischer Eiche und die dicken Mauern des Kellers. Aber Maria-Teresa, eine kleine Person mit großer Persönlichkeit und Präsenz, integriert diese Historie und Dominanz mit gleicher Bravour wie die Tannine ihrer Nebbiolos.

Maria-Teresa Mascarello führt das Erbe ihres Vaters Bartolo in grandioser Weise fort.

Grundlage ihres enormen Erfolgs sind die prestigeträchtigen Spitzenlagen für den Nebbiolo rund um die Gemeinde Barolo. In der berühmtesten, Cannubi, besitzt sie 1,5 ha Rebfäche, in San Lorenzo 0,3 ha und in Rué 0,5 ha. Dazu kommen in La Morra weitere 1,2 ha in der Toplage Rocche di Annunziata. Die Selektion findet bereits im Weinberg durch ein jahrelang erfahrenes Leseteam statt, d.h. alle Trauben der vier Lagen werden im Weingut vermischt und gemeinsam fermentiert. Dieses Verfahren kann man nur noch als traditionell bezeichnen, moderne Kellertechnik macht exakt das Gegenteil. Die Zeit auf der Maische geht hier gegen unendlich erscheinende 90 Tage im Extrem und trotzdem sind die Baroli vergleichsweise fast durchsichtig und zartrot. Der Ausbau erfolgt getreu dem Motto mit den verhassten Barriques in großen slawonischen Eichenfässern über rund 36 Monate. Hatte der Vater noch gesagt, dass jede Generation genau ein neues Fass ergänzen müsse, nicht mehr und nicht weniger, hat Maria-Teresa kurzerhand alle Fässer erneuert und sorgfältig in Betrieb genommen. Einen spürbaren Holzeinsatz wird es hier nicht geben, die Tannine dürfen nur aus den Schalen der Trauben, nie aus dem Holz stammen. Aus den Trauben der jungen Nebbiolo Rebstöcke und den abklassifizierten Trauben der älteren wird ein ganz ausgezeichneter Langhe Nebiolo (man beachte die traditionelle Schreibweise mit nur einem "b") gekeltert. Die Produktpalette ergänzen ein Dolcetto und ein Barbera sowie, ebenfalls eine Besonderheit, eine Freisa, eine Rotweinrebe mit langer Tradition im Piemont. Der Freisa ist ein tanninreicher, fruchtig-süßer Rotwein mir ganz leicht moussierendem Abgang. Von den insgesamt 30.000 Flaschen entfallen die Hälfte auf den Barolo. Der steigenden Nachfrage nach Magnumflaschen entsprechend werden heute schon rund 1.000 Magnums gefüllt.

Die von Bartolo gezeichneten Etiketten werden auf selbstklebendem Papier reproduziert, von Hand ausgeschnitten und aufgeklebt. Kunden, die mehrere Kartons Wein kaufen, bekommen einzelne Flaschen mit diesen Etiketten zugeteilt.

Man kann über dieses Weingut nicht berichten, ohne das Lebenswerk Bartolo Mascarello zu würdigen. Sein Beharrungsvermögen im Hinblick auf die Tradition des Barolo könnte man schon fast als piemontesische Sturheit bezeichnen. Sein unbedingtes Ziel war es, den einzigartigen Duft des Barolo nicht durch Holzeinsatz zu beeinträchtigen. Barriqueeinsatz hat er deshalb mit seiner ganzen Energie bekämpft. Mehr als suspekt waren ihm auch die tiefgefärbten, nach Vanille schmeckenden Rotweine der Revolutionäre. Seine Haltung hat ihm viel Kritik eingebracht, aber auch viel Anerkennung. Sehr kritisch stand er auch einer Ausweitung seiner Rebflächen gegenüber. Selbst als er die Chance hat, im Cannubi weitere Flächen zu erwerben, hat er dies mit dem Hinweis abgelehnt, er wolle nicht "industriell" werden. Mit zunehmendem Alter schränkte sich seine Bewegungsfähigkeit ein und ab dem 70. Lebensjahr war er auf einen Rollstuhl angewiesen.

Da er nicht mehr in die geliebten Weinberge gehen konnte, begann er, Etiketten zu malen - zumeist mit Motiven aus der Langhe. Nach seinem Tod im Jahr 2005 fand Maria-Teresa in einem Fach noch rund 500 Etikettenentwürfe, die er selbst gemalt hatte. Sein berühmtestes war jenes mit der Aufschrift "No Barriques - No Berlusconi". Ganze 25 Originale gab des davon - und hunderte von Fälschungen. Fast genauso berühmt ist ein Etikett mit einem Zitat Robespierres "Il ne faut pas faire des Barriques mais des barricades". Heute wählt Maria-Teresa jedes Jahr ein Dutzend Etiketten aus, und verziert damit einzelne Normalflaschen und einige der Magnumflaschen. Erst 2008 wurde eine Etikettiermaschine angeschafft und dennoch werden die gemalten und auf Klebeetiketten reproduzierten Etiketten des Vaters von Hand ausgeschnitten und auf die Flaschen aufgeklebt.

Das wohl berühmteste Etikett aller Baroli und der perfekte Ausdruck der Philosophie des Hauses.

Wenn man die Weine des Gutes Bartolo Mascarello zum ersten Mal verkostet eröffnet sich eine neue Dimension des Barolo. Das zarte Granatrot im Glas steht in einem offensichtlichen Gegensatz zu der dichten und intensiven Aromatik, die den Raum schon beim Einschenken füllt. Dieser Wein scheint ein Leichtgewicht zu sein und ist es doch in keiner Weise. Es ist ein so deutlicher Kontrast zu dem heute üblichen internationalen Weinstil, dass man regelrecht verblüfft ist. Ein wunderbarer, druckvoller und kompletter Rotwein mit perfekten Tanninen ausgestattet. Man ist an den Vergleich mit der "Eisenfaust im Samthandschuh" erinnert und nicht umsonst bezeichnet man den hellen Bordeaux-Wein als "Claret", in dem das frz. Wort "clair" ("hell, klar") steckt. Die sehr hohe Qualität der Weine hat, so sagen Kenner des Hauses, unter der Leitung von Tochter Maria-Teresa an Konstanz noch erheblich zugelegt. Und so wächst die Fangemeinde dieser großartigen Baroli weiter und Maria-Teresa Mascarello bleibt nichts anderes übrig, als die Weine streng zu limitieren, damit möglichst viele Weinfreunde etwas abgekommen. Sie kennt fast alle ihre Kunden persönlich, kein Wunder, man muss ja auch immer im Weingut bar bezahlen. Vielleicht ist in diesem Punkt die Grenze von Traditionalismus zur Rückständigkeit überschritten.