Roberto Voerzio

Roberto Voerzio in La Morra ist ein absoluter Qualitätsfanatiker und verfügt über Anteile der renommiertesten Lagen wie Brunate, Cerequio oder Rocche dell`Annunziata. Die breite Palette an Lagenbaroli führt in schöner Konstanz die Liste der besten Baroli an. Leider sind die wenigen Flaschen fast unbezahlbar.

Roberto Voerzio - Azienda Agricola | Località  Cerreto, 7 | I-12064 La Morra (CN) | Italien |

Über Roberto Voerzio


"Buon giorno, sono Cesare!", der junge Kellermeister begrüßt seine Gäste dynamisch und führt sogleich zum angrenzenden Weinberg. Ohne große Einleitung und in bestem Englisch erklärt er anhand der Pflanzung die Grundphilosophie des Hauses Voerzio. Vier unvergessliche Stunden voller Leidenschaft und unglaublichem Fachwissen später ist klar, warum Roberto Voerzio immer wieder als der beste Barolo-Produzent gesehen wird. Das Qualitätsstreben, das hier praktiziert wird, erscheint kaum noch steigerbar.

Dreh- und Angelpunkt der kompromisslosen Qualitätsphilosophie ist die Arbeit im Weinberg. Biologischer Anbau bei höchster Pflanzdichte von bis zu 9.000 Reben pro ha ist auf diesem Niveau Pflicht, normal in der Langhe sind nur 3000 Pflanzen / ha. Bei den extrem wertvollen Flächen des Gutes lässt sich ein solcher Wechsel zur Dichtpflanzung natürlich nur über Jahrzehnte realisieren, denn in den besten Lagen sind die Rebstöcke bis zu 65 Jahre alt. Unter 2 Mio. Euro / ha ist in La Morra kein Fleckchen mehr zu bekommen und trotzdem verkauft niemand! Vor 30 Jahren, da gab es den ha noch für umgerechnet 5.000 Euro und damals wollte niemand kaufen - so ändern sich die Zeiten. Roberto Voerzio hat Mitte der 1980er Jahre mit seinem eigenen Weingut begonnen, sein Bruder Gianni führt bis heute das väterliche Gut. 23 ha Land bewirtschaften er und sein Team heute, davon befinden sich 16 ha in seinem Besitz, darunter die ganz großen Crus von La Morra.

Vollreife Trauben mit dem höchsten Extrakt sind das Ziel der absolut rigorosen grünen Lese. Pro Weinstock bleiben nur fünf auf etwa ein Drittel zurückgeschnittene Traubenbüschel übrig - gerade einmal 0,5 kg Trauben.

Die Pflege der Weinberge erfolgt biologisch, zur Düngung wird natürlicher Mist aus einer 70 km entfernten Alm auf über 1.500 m Höhe per Lastwagen angefahren. Alle Arbeiten im Weinberg erfolgen per Hand. Den Aufwand muss man sich einmal vorstellen: zur Entfernung des Grasbewuchses benötigt das Team mit 7 Mitarbeitern einen ganzen Monat. Ein einziger Traktor mit Spritzmittel wäre schon in zwei Tagen fertig. Im Weinberg wird nur Schwefel und Kupfer verwendet, also keine Mittel, die in den natürlichen Wachstumszyklus eindringen. Jede einzelne Pflanze wird ständig beobachtet und dann je nach Vegationsverlauf gedüngt.

Wirklich rigoros, ja regelrecht radikal geht man aber bei der Ertragsbeschränkung durch die grüne Lese vor. Ab Mitte Juli wird jeder Rebstock zurückgeschnitten, bis maximal 5 Traubenbüschel verbleiben, was eine Ertragsreduzierung um mindestens 50% bedeutet. Dann schneidet man noch einmal zwei Drittel des Büschels ab, denn die Trauben mit der höchsten Extraktkonzentration befinden sich im obersten Teil des Büschels. So verbleiben nur noch 500 g Trauben an einem Stock und das mit einer relativ geringen Schwankungsbreite. Ganze drei Weinstöcke benötigt man, um den Saft für eine Flasche Wein zu erzeugen. Das verbleibende Traubenmaterial kann nun in kurzer Zeit perfekt voll ausreifen und die Lese beginnt regelmäßig extrem früh. Auf diese Weise erfolgt auch eine von der Kraft der Sonne in der Wachstumsphase getriebene Fruchtkonzentration, nicht durch Verdunstung von Flüssigkeit im späten Herbst. Andere Winzer haben beim Abschluss der Lese bei Roberto Voerzio gerade erst mit der Dolcetto-Ernte begonnen. Durch die sehr frühe Ernte wird gleichzeitig das Risiko von Fäulnisbefall minimiert und die Lese erfolgt sehr schnell, da eine weitere Selektion nicht notwendig ist. Nur rund 1.500 Flaschen werden pro ha geerntet, das sind nur wenig mehr als 11 hl/ha! Kein Wunder, dass Voerzio kaum mehr als 20.000 - 22.000 Flaschen Barolo produziert, insgesamt nur rund 55.000 Flaschen Wein.

Holzeinsatz ist wichtig, darf bei Roberto Voerzio aber nie dominieren und daher wird hier besonders behutsam vorgegangen. Zum Einsatz kommen viele Varianten, je nach Wein und Jahrgang.

Gemäß der Philosophie, dass ein großer Wein nur im Weinberg entsteht, erfolgt die Kellerarbeit mit größter Zurückhaltung, Sorgfalt und Sauberkeit. Interessanterweise spricht man im Keller und im Weinberg oft noch Piemonteser Dialekt, da im Italienischen bestimmte Worte aus der Weinbergbearbeitung und Weinverarbeitung schlicht nicht mehr existieren oder eine andere Bedeutung haben. Alle Parzellen werden streng getrennt in Stahltanks mit Hilfe natürlicher Hefen bei 29-32°C fermentiert. Der Presswein wird nicht verarbeitet. Die malolaktische Gärung erfolgt ebenfalls im Stahltank und ist normalerweise bis Ende Januar vollständig. Ohne mechanische Pumpvorgänge gelangt der Jungwein eine Etage tiefer, wo der Fassausbau stattfindet. Auch der Holzeinsatz folgt der strengen Maxime, den Weinen in jedem Fall die Eleganz zu erhalten. Von daher stellt man auch vehement fest, "die Eiche ist nicht wichtig, wichtig ist es, die Eleganz und Ausgewogenheit zu finden". So wird mit allerlei Fassgrößen und Hölzern experimentiert, immer um dem jeweilen Cru gerecht zu werden. Dass dabei auch etwas schiefgehen kann, wird nicht bezweifelt. Die Konsequenz ist ist aber eindeutig: wenn sich der Wein nicht wie gewünscht entwickelt, wird er abgelassen. Keinesfalls darf dieser Wein in den Handel kommen, denn Voerzio-Weine sind auf sehr lange Lagerung ausgelegt und der Kunde darf nicht enttäuscht werden. Bei der Flaschenfüllung wird die Schwefelung auf die Hälfte des erlaubten Wertes zurück genommen.

Hier der Beleg, dass man auch den traditionellen Ausbau in großen Fässern pflegt. Mit dem Jahrgang 2008 setzt man systematisch wieder auf diese Methode im ersten Jahr der Fassreife.

Ganz im Stile Burgunds besteht die Produktpalette aus vielen verschiedenen Crus. Dabei wird zwischen den sieben Lagenbaroli und den einfacheren Qualitäten wie Dolcetto und Langhe Nebbiolo unterschieden. Der wirklich außergewöhnliche Barbera d`Alba aus dem Cerreto-Weinberg nimmt eine Mittelstellung ein. Eine echte Sonderstellung kommt dem reinsortigen Langhe Merlot zu, ein Lieblingsprojekt von Roberto und Davide Voerzio, die beide Pinot Noir und Merlot lieben. Nur 2.800 Flaschen umfasst die Produktion aus der 1,23 ha kleinen Rebfläche in La Morra. Der erste Jahrgang dieses Experimentes war 2001, weitere Jahrgänge sind 2004, 2005 und 2007.

Doch nun zu den Baroli, deren Lagennamen die Herzen aller Weinfreunde höher schlagen lässt. Zu ihnen gehören die größten und berühmtesten Crus nicht nur von La Morra und Barolo, sondern auch der ganzen Region: Brunate, La Serra, Cerequio, Rocche dell`Annunziata, Pozzo dell`Annunziata, Capalot und Sarmassa. Dabei ergeben sich nur sehr kleine Mengen von 1.000 - 5.000 Flaschen. Die Crus Sarmassa, Pozzo dell`Annunziata und Capalot/Brunate gibt es nur in Magnumflaschen zu kaufen, die anderen Crus ausschließlich in Normalflaschen. Damit soll in der Vielfalt der Produkte eine gewisse Struktur hergestellt werden. Bei allerdings nur rund 700 - 800 Magnums fragt man sich, wer überhaupt eine solche Preziose erhalten kann? Regelmäßig führt dies zu der Kritik, dass diese Fabelweine nur den Journalisten für höchste Bewertungen zur Verfügung stehen und im Markt nie erhältlich sind. Da hilft es auch nicht, dass das Weingut noch einige Doppelmagnums abfüllt, die perfekte Größe für eine lange Einlagerung der Weine. Allerdings öffnet er Hausherr regelmäßig anlässlich des Erntefestes eine dieser älteren Jeroboams, vor allem um allen Mitarbeitern eindrucksvoll zu belegen, dass man für eine lange Zukunft arbeitet.

Drei Lagenbaroli werden ausschließlich in Magnumflaschen vermarktet: Capalot/Brunate, Sarmassa und Pozzo dell`Annunziata. Es gibt davon nur je 700 - 1.500 Flaschen pro Jahr!

Star des Weinportfolios ist regelmäßig der Brunate (nur ca. 3.000 Flaschen!), ein mächtiger, maskuliner und fleischiger Barolo, der aus den kalkreichen Lagen um 300 Höhenmeter unterhalb La Morra stammt. Der Le Serre liegt sogar mit 350 m noch höher, wirkt frischer, ist im Tannin aber aggressiver. Man muss ihn geradezu "hinunterkauen". Die 20 Jahre alten Reben ergeben einen mineralischen, leicht pfeffrigen Wein, der Trüffelnoten entwickelt. Der Rocche hingegen stammt aus etwa 250 m Höhe und ist runder und reicher. Seine Rebstöcke sind 35 Jahre alt und etwas höheren Temperaturen ausgesetzt. Die größten Jahrgänge der jüngsten Vergangenheit waren 2007 ("einfach ein perfekter Jahrgang") und 2000. Die 2006er sind ganz große Langstreckenläufer und werden viel Zeit der Flaschenreife benötigen. In 2008 vollzog man eine Korrektur im Fassausbau der meisten Baroli, der nun im ersten Jahr je zur Hälfte in Barrique und in großen 15 hl Fässern erfolgt. Danach wird in frz. Eichenholz umgefüllt. 2008 war ein eher kühles Jahr, das große, tanninreiche Weine ergab. Der 2008er Brunate erreichte mit 98 Punkten von Parker eine der höchsten Bewertungen dieses Weingutes, nur insgesamt fünf Weine von Roberto Voerzio wurden so hoch bewertet.

Die Etikettenentwürfe stammen von einem Maler aus La Morra und sind je Wein unterschiedlich. Sie zeigen Stationen im Jahresablauf eines Winzers. Die Motive werden nicht ausgewechselt.

Die markanten und farbenfrohen Etiketten aller Weine stammen von dem Maler Ricardo Asso aus La Morra. Jeder Wein trägt immer das gleiche Etikett, das eine Szene aus dem Jahreslauf eines Winzers zeigt. Trotz eines Verkaufspreises von rund 150 € für die Baroli werden die Normalflaschen in Kartons verpackt. Holzkisten gibt es nur für die Magnumflaschen (1er und 3er OHK). Die Weine von Roberto Voerzio sind heiß begehrte Trophäen von Weinliebhabern und Sammlern, wegen der überschwänglichen Kritik von Parker und Wine Spectator insbesondere in den USA begehrt. Kaum vorstellbar, aber Roberto Voerzio war in 2011 erstmals zur Weinpräsentation in den USA.

Im Haus Voerzio verfolgt man die Politik, bis auf ganz besondere Ausnahmen keinem der 66 Importeure Exklusivität zu geben. Man möchte Weine zum Trinken, nicht zum Spekulieren machen. Bei nicht einmal 20.000 Flaschen Barolo für den Verkauf ergibt dies rechnerisch nur 300 Flaschen pro Importeur. Das Weingut entscheidet über die Wein-Zusammenstellung der Lieferung selbst, denn man liebsten würden alle nur Brunate, Cerequio oder Rocche dell`Annunziata bestellen. An Weintouristen verkauft man ab Hof nicht. Im Übrigen baut man gerade einen neuen zweigeschossigen Keller, um künftig noch mehr Flaschen einlagern zu können, wie andere Top-Produzenten auch. Warum auch soll man die enorme Wert- und Qualitätssteigerung dem Handel überlassen? Und der Keller dient auch dem Zweck, eine umfangreiche Bibliothek älterer Jahrgänge aufzubauen. Denn Roberto Voerzio hat zwar extrem hohe Bewertungen, aber keine Historie in der Weinwelt. Diese aufzubauen über Generationen ist das erklärte Ziel. Und dabei ist die Verfügbarkeit alter Weine sehr wichtig.

Die Lagen und Jahrgänge gegeneinander zu verkosten ist besonders spannend. Nur so kann man die Unterschiede wirklich erfahren und nur so erschliessen sich die Terroirunterschiede.

Zum Abschied ein Blick auf die Uhr: unfassbare vier Stunden sind wie im Flug vergangen, keine Sekunde war langweilig sondern gefüllt von Leidenschaft. Bei Roberto Voerzio arbeitet ein qualitätsbesessenes Team, das keinen Aufwand scheut. Es gibt einige Top-Produzenten im Barolo-Gebiet, Roberto Voerzio ist aber wirklich in jeder Hinsicht speziell.