Tertre Roteboeuf

Der charismatische François Mitjavile ist sicher eine der profiliertesten Persönlichkeiten im Bordelais und hat Tertre Roteboeuf in die Spitze der Appellation von St-Émilion geführt.

1 Tertre | F-33330 Saint Laurent des Combes | Frankreich |

Weine: Tertre Roteboeuf

Über Tertre Roteboeuf


Durch Fakten ist das Phänomen Tertre Roteboeuf nicht zu verstehen. Sicher, die Lage im östlichsten Teil der Côtes St-Émilion ist schlichtweg perfekt. Die 5,6 ha Rebfläche liegen wie ein Amphittheater im Steilhang nach Süden geneigt (wer es nicht glaubt, der sollte einmal mit dem Fahrrad hoch fahren!). Lehmboden bedeckt den Kalkstein, der aus dem Hang heraustritt. Hier entstehen die größten Gewächse der Appellation, die Nachbarn entlang der Côtes sind u.a. Pavie und Ausone. Wie überall dominiert der Merlot (85 %), der Rest ist Cabernet Franc, der dem Wein Statur und Struktur verleiht. Der Lehm reguliert den Wasserhaushalt der Wurzeln auf ideale Weise, hält genug Feuchtigkeit, um die Fruchtigkeit der Weine zu unterstreichen ("cold soil"), bleibt aber nicht zu nass, sodass die Wurzeln ihr Wachstum nach unten nicht einstellen.


François Mitjavile erklärt, warum seine Lage einzigartige Weine hervorbringt

Wirklich spektakulär aber ist, was François Mitjavile aus diesem Potenzial herausholt, indem er eben möglichst wenig und schonend eingreift. Das Gut ist seit Generationen im Besitz der Familie seiner Frau, er selbst übernahm es 1978 als Seiteneinsteiger und eignete sich sein Wissen weitgehend selbst an (arbeitete aber zwei Jahre bei Château Figeac). Und dieses Wissen ist phänomenal! Alle Zusammenhänge die er schildert sind so logisch, so einfach und selbstverständlich, dass man sich fragt, wozu es Oenologie überhaupt noch braucht. Sein Vergleich eines schlechten Weins mit einem schlechten Kaffee, der auch mit viel Zucker nicht besser wird, ist so ein Beispiel. Schokolade, Kaffee, Wein, immer sind es die Tannine, die uns begeistern oder zurückschrecken lassen.

Das führt zu dem anderen bestimmenden Faktor: der Frucht. Ein Wein ohne süße Frucht bleibt immer ausdruckslos. So sieht er den 1986er Jahrgang, mit riesigen Tanninleveln, aber ohne Frucht, da hilft auch eine lange Lagerung nicht, denn bevor die Tannine eingebunden sind, ist die Frucht vollständig verloren. Aus diesem Grund setzt er konsequent auf die, oft sehr riskante, Strategie der Lese von nur völlig ausgereiften Trauben zum spätest möglichen Zeitpunkt. Um diese süße Fruchtigkeit noch zu unterstreichen erfolgt die Fermentation über ca. 3 Wochen ohne Vorkühlung des Traubengutes bei über 30°C. Hier sind spezielle Hefen notwendig, die bei diesen hohen Temperaturen widerstandsfähig sind. Das Ergebnis sind stark terriorbetonte Weine, die die Charakteristik des jeweiligen Jahrgangs ausdrücken. Die Weine werden zwar filtiert, aber nicht geschönt, da dies die Struktur zerstören würde. Den hohen Alkoholgehalt, der aus der späten Lese resultiert (z.B. 2009 auf Rekordniveau) verkraftet das Frucht-, Säure- und Tanningerüst problemlos.


Der Hagel im Frühjahr 2009 hat leider die Ernte stark reduziert, aber "so ist die Natur"

Weinproduzenten, die der althergebrachten Tradition nicht unreflektiert folgen haben es nicht leicht im Bordelais. Dies hat auch François Mitjavile erfahren, blieb seiner Linie jedoch treu. Entstanden sind dabei Weine, die nach der Freigabe der Flaschen auf dem Punkt sind und sofort gefallen ohne ihre Lagerfähigkeit eingebüßt zu haben. Seinen Durchbruch schaffte er Mitte der 1980er Jahre, als wichtige Weinkritiker, u.a. eben auch Parker, diesem Weinstil applaudierten. Schnell war ein neuer "Kultwein" geboren, der aufgrund der geringen Mengen schwer zu erhalten war. Dies gilt bis heute, muß sich doch die Weinwelt mit rund 1.000 Kisten begnügen. Neben dem Tertre Roteboeuf (der Zusatz Château wird seit 1994 weggelassen) produziert François Mitjavile in den Côtes de Bourg noch Wein auf dem 1988 erworbenen Gut Roc de Cambes, durch späte Lese ebenfalls ein fruchtiger, vollmundiger Wein.

Sind schon die Weine von Tertre Roteboeuf spektakulär, so gilt dies für die Person François Mitjavile in besonderem Maße. Den Besucher empfängt nicht nur ein überaus sympathischer und offener, sondern auch außergewöhnlich engagierter, ja mitreißender Mensch. Von ihm durch das Gut geführt zu werden ist schlichtweg ein Erlebnis. Seine metapherreichen Erklärungen sind so eingängig und einfach nachvollziehbar, François Mitjavile`s Interessen gehen weit über das Thema Wein hinaus. Jedes Detail ist bedacht und er zögert nicht, seine Gründe aufzuführen. Seine Liebe zu den Reben und seinen Weinen ist greifbar, er ist definitiv kein "Techniker" der die Weine im Keller "macht". Wohl mag er die Bewegung der Garagenwinzer inspiriert haben, einer von ihnen ist er nicht.


"Inside" Tertre Roteboeuf

Zum Abschluß des Besuchs kommt der Höhepunkt: die Verkostung der Fassprobe des 2009er Jahrgangs. Er sagt selbst, dass er noch nie in seinem Leben ein solch perfektes Lesegut geerntet hat. Schon beim Einfüllen ins Glas möchte man es sofort glauben, was für eine Frabe, was für eine Nase! Im Mund explodiert der Wein geradezu, birst vor süßer Frucht ohne eine einzige harte Ecke, ein unvergeßliches Erlebnis. Der Abgang scheint nicht mehr aufzuhören, der Wein bleibt minutenlang förmlich stehen. Wie kann man einen solchen Traumwein mit Punkten bewerten?