Podere Il Carnasciale

Die Podere Il Carnaciale wurde in den 1970er Jahren von der deutschen Familie Rogosky gegründet. Fast alles an diesem Weingut ist ungewöhnlich bis extrem: die Verwendung einer exklusiven Rebsorte "Caberlot", geringste Mengen, die fast ausschließlich in Magnumflaschen abgefüllt werden und sehr viel Handarbeit in den Höhenlagen am Rande des Chianti Classico Gebietes. Das Ergebnis ist ein sehr guter Wein, der in so gar keine Kategorie passen möchte.

Loc. Podere Il Carnasciale | 52021 Mercatale Valdarno AR

Über Podere Il Carnasciale


Die Geschichte von Il Carnasciale begann, wie so oft, mit dem Traum eines Bauernhauses in der Toskana. Wolf Rogosky, ein erfahrener und erfolgreicher Werbefachmann mit vielen internationalen Engagements, und seine Frau Bettina verliebten sich in den 1970er Jahren in eine herunter gekommene Podere hoch über dem Valdarno-Tal nahe der Ortschaft Mercantale Valdarno, ca. 60 km südöstlich von Florenz - übrigens eine Hochburg der italienischen Modeindustrie. Außer einem atemberaubenden Blick über die Toskana gab es praktisch nichts: keinen Strom, kein Wasser und keine vernünftige Strasse. Alles musste saniert werden, ein Kraftakt. Weinreben gab es ebenso wenig, dafür aber den Traum, welche anzupflanzen. Wer die Regeln der Toskana kennt, der weiß wie schwierig das ist, sind doch - mit gutem Recht - die Olivenbäume streng geschützt. Doch dann kam 1985 der berühmte Frost, der große Teile des Olivenbaumbestands in der Toskana zerstörte. Auf einer kleinen Fläche direkt vor dem Haus von nur 0,3 ha (3.000 qm) wurden noch in 1985 die abgestorbenen Olivenbäume durch Weinreben ersetzt.

Wolf Rogosky suchte als gelernter Kreativer von Anfang an seinen eigenen Weg zum Wein. Als er dann den Agronomen Bordini traf, hatte er diesen Ansatz gefunden. Bordini war im Besitz einiger Rebstöcke einer natürlichen Kreuzung von Cabernet Franc und Merlot, die er Caberlot nannte. Wolf Rogosky kaufte alle vorhandenen Stöcke und schloss mit Bordini einen Handschlag-Vertrag, dass niemand sonst Caberlot bekommen wird. Dieser Vertrag gilt bis heute und Il Carnasciale ist immer noch das einzige Weingut der Welt, das Caberlot verwendet.

Das Wagnis, erstmals eine solche Spontankreuzung einzusetzen war groß und der Caberlot ist mindestens so eigenwillig wie sein Besitzer. Die Sorte benötigt viel Hitze, liefert extrem geringe Weinmengen (25 hl/ha sind schon viel) und macht Weine mit wenig Fruchtzucker. Das Risiko aber hat sich bezahlt gemacht, denn Caberlot steht für außerordentlich fruchtige, tiefgründig komplexe und elegante Weine mit undurchdringlichem Rubinrot. Dazu kommt eine enorme Alterungs- und Reifefähigkeit.

Moritz Rogosky vor dem historischen, nur 0,3 ha großen Weinberg.

Eine weitere, höchst ungewöhnliche Entscheidung war, den Wein ausschließlich in Magnumflaschen abzufüllen. Nur 300 dieser Flaschen ergab der erste Jahrgang 1988. Aber Wolf Rogoskys Ziel war es, 1000 Magnums aus den 0,3 ha zu produzieren, was dann auch erreicht wurde. Für eine dieser Magnumflaschen 100.- DM! zu verlangen war Ende der 1980er Jahre eine echte Provokation. Alle Etiketten werden bis heute handschriftlich durchnummeriert. Leider verstarb Wolf Rogosky bereits 1996 und konnte den weiteren Aufstieg von Il Carnasciale nicht mehr miterleben. Bettina Rogosky aber führt das Weingut - heute gemeinsam mit ihrem Sohn Moritz - mit großem Engagement und hohem Anspruch weiter. Mit Peter Schilling konnte Bettina Rogosky einen berühmten Önologen und Kellermeister gewinnen, der normalerweise so kleine Weingüter nicht berät, der aber sofort das große Potenzial dieses Weins erkannte.

Was folgte war neben der kontinuierlichen Verbesserung der Qualität eine behutsame Erweiterung der Rebflächen. Bereits 1999 konnte der 11 km entfernt liegende Weinberg Selva mit Lössböden erworben werden. 2004 folgte der Vincaie Basso und 2010 die extrem felsige Lage Berelli. Heute, im Jahr 2022, beträgt die Rebfläche insgesamt 5,8 ha, davon ist eine kleine Teilfläche historisch mit Sangiovese bestockt. Der hieraus gekelterte Wein trägt den Namen Ottantadue, ein Hinweis auf die Hausnummer 82 des 2015 gekauften Anwesens. Doch selbst mit den Erweiterungen ist Il Carnasciale immer noch ein sehr kleines Weingut, was die Familie Rogosky aber nicht abhält, einen separaten Kellerneubau zu planen.

Aus der Garage ist Il Carnaciale längt herausgewachsen, im Charakter aber bleibt es noch ein Garagen-Winzer.

Bei allen weit tragenden Plänen bleibt das Markenzeichen des Caberlot das schlichte schwarze Kreuz aus zwei Pinselstrichen auf den Etiketten, das die Verbindung der beiden Rebsorten abbildet. Dabei symbolisieren die Pinselstriche, die jedes Jahr neu ausgesucht werden, die Jahrgangscharakteristik. Je fetter die Striche sind, desto fruchtbetonter und kräftiger ist der Wein - einfach, genial und so leicht zu erkennen. Seit einigen Jahren werden Trauben, die noch jung sind und nicht die Qualität des Caberlot erreichen, in einem Zweitwein abgefüllt. Er trägt den Namen "Carnasciale" und wird mit einem weißen Kreuz auf dem Etikett gekennzeichnet. Rebsorte und Vinifikation sind identisch. Der Carnasciale wird in 0,75 l Normalflaschen in 6er Kartons ausgeliefert. Und seit ganz wenigen Jahren gibt es auf Drängen vor allem der Gastronomie auch einige 0,75 l Normalflaschen des Caberlot. Bei Il Carnasciale heißen diese Flaschen aber folgerichtig Demi-Magnum!

Der Jahrgang 2018 markiert das 30. Jubiläum des Caberlot. Die Reben sind auf dem Höhepunkt ihrer Qualitätsentwicklung und zeigen jetzt das große Potenzial der Caberlot-Reben mit wundervollen, charakterstarken Weinen. Dabei passen sie so gar nicht in eine der klassischen Schubladen zwischen Chianti und Super-Tuscan. Fast alle der modernen Trends wie natürliche und schonende Arbeit im Weinberg und Keller, Ausbau eines Teils der Ernte in großen Fässern, reduktives Arbeiten, Fokus auf Eleganz und niedrige Zucker- und Alkoholwerte hat man hier schon seit Jahrzehnten praktiziert. Spannend auch für die Zukunft ist der Ansatz, verschiedenste Parzellen mit der gleichen Rebsorte zu bestocken, ein Verfahren, das im Burgund mit dem Pinot Noir perfektioniert wurde. In der Toskana hingegen wird immer zuerst der Boden untersucht und dann die optimale Rebsorte ausgewählt. Mainstream wird der Caberlot also auch in Zukunft nicht werden. Dafür wird er immer stärker nachgefragt.