Château Mouton-Rothschild 2002

2002 war im Bordelais sicherlich nicht der allerbeste Jahrgang. Schon im Mai war es kühl und die gerade beginnende Blüte stand unter keinem guten Stern, denn das kalte Wetter überraschte zudem mit Regen. Hitze, Kälte, Regen und Stürme wechselten einander ab, gute Bedingungen sehen anders aus. Das Wetter stabilisierte sich im Juli und August, die Temperaturen blieben aber niedrig. Die Produzenten reagierten mit intensiver Weinbergsarbeit und drastischem Rückschnitt bei Trauben und Blättern, um eine bessere Belüftung und maximalen Sonneneintrag zu gewährleisten. Nach dem Regen am 19. August verzogen sich die Wolken und machten ab Anfang September einem herrlichen Herbstwetter Platz. Für den früher reifenden Merlot kam diese Rettung allerdings zu spät. Nicht aber für den Cabernet Sauvignon in der nördlichen Appellationen des Médoc. Sonne, Wärme und Trockenheit bis weit in den Oktober hinein hielten - auch Dank der intensiven Laubarbeit - die Fäulnis fern und verhalfen den Trauben zur vollständigen Ausreifung. In St. Julien, Pauillac und St. Estèphe konnten auf diese Weise und für den Jahrgang untypisch feine Weine erzeugt werden. Die besten Weine machten dabei die Produzenten mit den großen Cabernet-Terroirs.

Und zu diesen besten Terroirs gehören ohne Zweifel auch die von Château Mouton Rothschild. Die Cuvée besteht aus 77% Cabernet Sauvignon, 9,7% Cabernet Franc, 11,9% Merlot und 1,4% Petit Verdot, die produzierte Menge ging auf ca. 80% zurück. Der Wein ist tiefviolett / schwarz gefärbt und von großer Konzentration und Aromendichte mit intensiver Cabernet-Charakteristik. Wie bei allen kühlen Jahrgängen dominiert hier nicht die opulente Frucht, sondern die Balance und Finesse. Seinen größten Fan hat dieser Wein in René Gabriel gefunden, die ihn überschwänglich in die Reihe der größten Moutons einordnet und mehrfach mit 20/20 Punkten bewertete. Es sei hier erwähnt, dass Robert Parker aus persönlichen Gründen die Primeurverkostungen im Frühjahr 2003 nicht besuchte und seine Bewertungen fehlten. Diesen Raum haben eben andere auch genutzt. Dennoch ist Gabriel ein sicherer Verkoster und das Preis-/Leistungsverhältnis bei diesem Jahrgang ausgezeichnet. Lange war nämlich dieser Wein einer der preiswertesten Moutons der neueren Jahrgänge. Doch der Markt hat nach oben gedreht und gerade für den 2002er stark angezogen. Vielleicht haben doch einige Weinfreunde jüngst die Korken gezogen und fanden Gabriels Kommentare nicht unpassend. Fakt ist: heute ist der Mouton 2002 ein gesuchter Wein.

Das Etikett für diesen Jahrgang stammt von dem ukrainischen Künstler Ilya Kabakov. Die Grafik zeigt einen imaginären Blick aus der Tiefe der Flasche. Den Weg nach oben zieren unendliche viele angedeutete Flügel, die quasi zur Freiheit verheißenden Öffnung streben. So steht der Titel des Bildes "Okho" für "Fenster", Symbol für die Öffnung in die Welt dieses großen Weins.

Der Wein ist ein großer Erfolg für Mouton und dürfte der Wein des Jahres sein. 2002 war kein guter Jahrgang sein, aber dieser Mouton verfügt über Phenolwerte auf Rekordniveau. Ein klassischer Mouton mit hohem Potenzial, der aber viel Zeit benötigen wird. René Gabriel vergibt 20/20 und auch die anderen Kritiker sind begeistert. Primeurpreis ex negoc 107.- €.