Veuve Clicquot Rosé Tasting

11. Juni 2014



Dominique Demarville hatte es nicht leicht an diesem Tag, denn mit rund 35°C lag eine tropische Hitze über München. Dennoch lies er es sich nicht nehmen in Anzug und Krawatte für eine kleine Gruppe von Teilnehmern ein Tasting zu veranstalten, hoch engagiert, konzentriert und mit faszinierenden Hintergrundinformationen über die Philosophie der Produktpalette des Hauses Veuve Clicquot. Dabei reist Dominique Demarville nur sehr wenig und wenn, dann nur zu solchen Fachvorträgen. München war der Auftakt für die drei Stationen München, Berlin und Hamburg und es war das erste Mal, dass ein solches Tasting in Deutschland veranstaltet wurde.


Die Grande Dame Rosé ist das Flaggschiff des Hauses Veuve Clicquot und der konzentrierteste und präziseste Ausdruck seiner gesamten Produktpalette.

Dominique Demarville hat in der Champagne eine sehr steile Karriere hinter sich. Nach dem Oenologiestudium in Avize und Dijon wurde er 1998 mit 31 Jahren Kellermeister von Champagne Mumm und konnte schnell die Qualität der Produkte verbessern. Sein exzellenter Ruf verbreitete sich rasch. 2009 folgte er dem Angebot, als erst 10. Kellermeister in die 240 jährige Geschichte des Hauses Veuve Clicquot einzugehen. Er fühlt sich sichtlich der Tradition und dem Qualitätsanspruch dieses bedeutenden Hauses verpflichtet und betont den Hauptfokus der Arbeit seines Teams auf die Basisqualität, das sogenannte "Gelbe Etikett", den weißen Brut. Immer wieder aber kommt dann doch seine Begeisterung für den als Rotwein ausgebauten Pinot Noir durch.

Ganze 30 ha von insgesamt 350 ha Rebfläche des Hauses Veuve Clicquot sind dem Rotwein gewidmet, darunter sehr bedeutende und wertvolle Grand Cru Flächen in und um Bouzy. Die hohe Aufmerksamkeit, die man diesem Besitz schenkt zeigt sich auch in einem eigenen Weingut in Bouzy und zweier Oenologen, die sich ausschließlich um den Pinot Noir kümmern. Das Weingut ist dabei nur rund vier Wochen im Jahr in Betrieb und dient dem Sammeln und der Fermentation der Trauben vor Ort. Nach dem Abtrennen der Schalen nach etwa 8-10 Tagen (in Ausnahmefällen 12 Tagen) wird der Wein dann zum Ausbau sofort ins Stammhaus nach Reims transportiert, das Weingut in Bouzy wieder geschlossen. Dominique Demarville verrät auch, dass man von den sehr wertvollen Grundweinen das eine oder andere Barrique abfüllt und als Rotwein ausbaut. Diese Rotweine werden dann im Gästehaus von Veuve Clicquot bei exklusiven Einladungen ausgeschenkt. Früher einmal gab es sogar Rotweine aus Bouzy zu kaufen.


Der Rosé Vintage 2004 ist deutlich mineralischer, konzentrierter und wirkt frischer und präsenter als der NV Rosé.

Die Palette an Rosé-Champagnern bei Veuve Clicquot umfasst heute einen Non Vintage ("NV") Champagner, Jahrgangs-Champagner und als Spitzenprodukt den Champagner La Grande Dame. Der Name für dieses Topprodukt wurde zu Ehren der Witwe Clicquot gewählt, die 1818, also vor rund 200 Jahren, den Rosé als Cuvée aus Rotweinen und Weißweinen erfand. Der erste Rosé Champagner war damals noch ein NV Champagner, aber bereits 1822 wechselte man ausschließlich auf Jahrgangs-Rosé Champagner. Erst 2005 führte Veuve Clicquot wieder den NV Rosé ein! Dieser wurde im japanischen Markt vorgestellt und die gesamte Menge sofort dort verkauft. Der internationale Launch erfolgte daher erst später. Bis heute hat der unglaubliche Erfolg dieses Produkts zu einem Marktanteil im Hause Clicquot von 8% geführt. Neben dem NV Rosé gibt es in sehr guten Jahren noch einen Jahrgangs-Champagner, das Traubenmaterial hierfür besteht ausschließlich aus Premier Cru und Grand Cru Lagen. Der Rotweinanteil liegt typischerweise bei 12-13%, die Dosage ist auf 9 g/l reduziert (NV 10 g/l). 2004 war ein sehr gutes Jahr in der Champagne, der Ertrag so hoch, dass man eine (eher seltene) grüne Lese durchführte. Die Cuvée besteht aus 62% Pinot Noir, 8% Pinot Meunier und 30% Chardonnay. Der Champagner ist deutlich säurebetonter und wirkt frischer, konzentrierter. Typisch für den Pinot geprägten Stil des Hauses ist ein feines Brioche-Aroma. Preislich liegt dieser Champagner etwa 50% über dem NV.

Das Flaggschiff des Hauses aber ist die "Grande Dame Rosé", ein Champagner gekeltert nur aus Grand Cru Trauben. Der Rotweinanteil liegt bei 15%, die Trauben hierfür stammen ausschließlich aus der Grand Cru Spitzenlage "Clos Colin" aus Bouzy. Der 2004er wurde über 9 Jahre auf der Hefe ausgebaut und enthält mit 76% Pinot Noir einen der historisch höchsten Pinot-Anteile. Das Haus degorgiert pro Jahr lediglich 8.000 Flaschen der Grande Dame Rosé. Der Champagner repräsentiert die Quintessenz des Stils des Hauses Veuve Clicquot mit einer ausgeprägten Mineralität, Eleganz, einem Touch verführerischer Cremigkeit und einem langen, frischen Abgang. Dominique Demarville empfiehlt, diesen großen Champagner zu kräftigen Fleischgerichten zu genießen. Noch mehr aber empfiehlt er, die kostbaren Flaschen noch einige Zeit im Keller reifen zu lassen, das Lagerpotenzial bemisst sich in Jahrzehnten. Der aktuelle Jahrgang 2004 wird in 2016 durch das Erscheinen der Grande Dame 2006 ersetzt, es folgt dann später der große Jahrgang 2008.


Eine Verkostung der Grundweine ermöglicht ein direktes Verständnis der Grundlage der großartigen Rosé-Champagner.

Highlight des Tastings aber war zunächst die Vorstellung von vier roten Grundweinen aus verschiedenen Lagen. Zentrum des Pinot Noir Anbaus in der Champagne ist Bouzy, das mit einem "Pinot Noir Bouzy" und dem berühmten "Clos Colin" vertreten war. Eine Probe stammte aus Verzy, also von den nördlichen Hängen der Montagne de Reims. Die vierte Probe kam aus dem entgegengesetzt südlich liegenden Ay. Alle vier Pinot Noir Weine basierten auf der 2013er Ernte, der Charakter der jungen Weine hätte aber nicht unterschiedlicher sein können.

Der Wein aus einer Grand Cru Lage in Ay zeigte eine sehr intensive Nase, viel Säure und noch sehr junge Tannine. Er wirkt elegant, frisch mit eher zurückhaltender Frucht. Durch den langen Abgang hält er die Spannung vom Beginn an bis ins Finale. Begünstigt durch die Südexposition des Weinbergs konnte in 2013 ein sehr guter Ay gekeltert werden. Der Verzy, ebenfalls ein Grand Cru, kann hingegen sein Nordlage nicht verbergen. Obwohl 10 Tage später als der Ay gelesen, prägen eine starke Säure und noch unangenehm harte Tannine den Wein. Die verhaltene Nase zeigt sehr würzige Noten. Dieser Wein braucht noch erhebliche Zeit zum Reifen, was Dominique Demarville auch betont. Damit ist er ein klassischer Reservewein, der durch seine ausgeprägte Säure für ein hohes Alterungspotenzial in der Cuvée sorgen wird.

Der ganze Stolz des Hauses aber ist der Grand Cru Clos Colin aus Bouzy. Diesen Weinberg hatte die spätere Madame Clicquot schon 1772 in die Ehe eingebracht, es handelt sich also um einen Jahrhunderte alten Besitz der Familie. Die Reben im Clos Colin sind im Schnitt 24 Jahre alt, der Ertrag wird sehr niedrig gehalten. Der Wein könnte leicht mit einem großen Burgunder mithalten, ist intensiv, tiefgründig und sehr vielschichtig. Die perfekte Pinot Noir Lage mit einem sehr kalkreichen Untergrund verleiht dem Wein eine intensive Mineralität, Konzentration und Eleganz. Für den Rotwein, der in der Grande Dame verwendet wird, werden ausschließlich Trauben aus dem Clos Colin eingesetzt. Alle Grundweine, zunächst noch sehr verschlossen, öffneten sich im Glas auch durch die hohen Temperaturen im Raum sehr schnell und offenbarten so ihr großes Potenzial.


Die Grundweine aus 2013 wurden für das Tasting direkt aus den Fermentationstanks abgezogen. Der Grand Cru Clos Colin ist einer der absoluten Renommierlagen des Hauses.

Bis zu 500 Grundweine verwendet man im Hause Veuve Clicquot für die Cuvée-Auswahl. Dominique Demarville vergleicht diesen Prozess mit der Verwendung von verschiedenen Farben für ein Gemälde. Die Reserveweine stammen aus Jahrgängen, die bis 1988 zurück reichen. Der Anteil der Reserveweine schwankt von Jahrgang zu Jahrgang stark, beträgt typischerweise aber etwa 30%. Die Auswahl aus einem noch größeren Pool an Grundweinen trifft das Team über die Herbst- und Wintermonate. Ziel ist es, den einzigartigen Champagnerstil des Hauses perfekt nachzubilden: ein durchgängiges Trinkerlebnis mit Spannung, Frucht, Intensität, Eleganz und Balance bis in den langen Abgang. Die Auflösung dieser scheinbaren Gegensätze erfolgt durch die Kombination ganz unterschiedlicher Grundweine. Besonders schwer ist es für das Team um Dominique Demarville, Geschmack und Farbe der Champagner immer möglichst genau zu treffen.

Das Tasting hat auf unterhaltsame Weise eindrucksvoll gezeigt, mit welcher Präzision und Aufmerksamkeit vom Weinberg bis zur Flaschenreifung im Hause Veuve Clicquot vorgegangen wird. Dominique Demarville verkörpert diese Präzision perfekt. Es würde niemanden überraschen, wenn er nicht noch so manchen Plan hätte, wie er das Champagnerhaus weiter voran bringen kann. Dass dabei Pinot Noir eine große Rolle spielen wird, konnte er aber nicht verbergen. Die Konkurrenz auch aus dem eigenen Hause ist extrem hart (Krug, Dom Pérignon, Ruinart) und das Image von Veuve Clicquot als klassischem Champagner zum Feiern noch weit verbreitet. Nicht umsonst heißt es, Veuve Clicquot hätte im Markt das beste Marketing.

Nein, leicht hatte er es nicht in dieser Hitzeschlacht in München und leicht wird es auch nicht werden, eines der ältesten und renommiertesten Champagnerhäuser weiter zu entwickeln. Dennoch scheint ihm beides Vergnügen zu bereiten.