Weinbibel





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René Gabriel
Gebundene Ausgabe, 1025 Seiten (2015)
Verlag Granchateau-Verlag, CH-Eschenbach, ISBN: 97839520179
Unser Eindruck:
Irgendwie kommen die berühmten Verkoster der vergangenen Jahrzehnte in die Jahre, verliert die Weinwelt ihre Orientierung. Parker auf dem Rückzug, Rolland mit seinen Memoiren, Suckling im toskanischen Off und nun Gabriel mit einem hastig durchgeführten Ausdruck seiner online verfügbaren Verkostungsnotizen in Buchform. "The times, they are a`changing" und die Weinkritik löst sich auf. Dabei waren Parker und Gabriel über lange Zeit die beiden Antipoden der Weinwelt, man liebte den Stil des Amerikaners ("bold") oder den des Europäers ("Finesse"). Dazwischen gab es eigentlich nur Polemik. Was soll`s? Perdu.


René Gabriel mit seinem neuesten Werk

René Gabriel, bekannt vor allem als Autor des Buches "Bordeaux Total", das heute zu den Klassikern der Weinliteratur zählt, kommt nun also in 2015 noch einmal mit einem Schwergewicht auf den Buchmarkt. Runde 3 kg dürfte das 1000 Seiten umfassende großformatige Buch auf die Waage bringen, da braucht man schon eine solide Leseunterlage. Wir können uns gar nicht erinnern, ein derart lieblos gemachtes Buch in den Händen gehalten zu haben. Eigentlich handelt es sich um eine Loseblattsammlung, die gebunden und mit einem Hardcover versehen wurde. Ein hochwertiges Weinbuch sieht heute anders aus. Vielleicht war es auch gar nicht das Ziel von Gabriel, einen Blockbuster zu veröffentlichen, sondern nur sein Vermächtnis auch für Nicht-Subskribenten seines Blogs zur Verfügung zu stellen. Zu kaufen gibt es das Buch nur direkt bei den Vertriebspartnern von Gabriel für geschmeidige 98 €. Ja, auch der Euro ist nicht mehr, was er einmal war.

Das Buch mit dem etwas anmaßenden Titel "Weinbibel" - nun ja, geschrieben vom selbst ernannten Bordeaux-Papst - beginnt mit einer Verteidigungsrede bezüglich dieses Titels und einem kurzen Vorwort. Schon auf der nächsten Seite folgt der erste Bericht über eine Altweinprobe und 1010 Seiten später endet es mit einem Diner auf Château Pichon-Longueville Comtesse-de-Lalande, einem der absoluten Lieblingsweine des Autors und des Rezensenten. Wie erwähnt, als Verkoster ist Gabriel untadelig!

Sicherlich, die buchstäblich tausenden Verkostungsnotizen mögen für manchen Weinfreund interessant sein und zum Querschmökern einladen, ein Lesespaß im ursprünglichen Sinne ist dieses Buch nicht. Für alle anderen bleibt die Erkenntnis, dass sich die Weinkritik weiter entwickelt hat, auch weg vom Print und dazu zählt eben mal auch ein Buch. Den Wine Advocate von Parker gibt es nur noch online und zahlreiche Blogs treten an die Stelle der etablierten Kritiker. Zudem ist das jüngere Weinpublikum viel experimentierfreudiger geworden, trifft Kaufentscheidungen spontaner. Wie man insbesondere im Bordelais auf diese Herausforderung mit den alten Primeursystem reagieren wird ist eine spannende Frage. Jedenfalls warten die Käufer nicht mehr, bis Robert Parker (Neal Martin), James Suckling oder auch René Gabriel mit ihren Bewertungen an die Öffentlichkeit gehen. Heute Twittern und Bloggen die Leute ihre Erfahrungen noch vom Verkostungsraum in die Welt - mit Bild und Video.

Eine Ära neigt sich dem Ende zu. Sie hat seit dem 80er Jahren die Weinwelt im positivsten Sinne verändert, doch nun kommt die nächste Revolution und entledigt sich dem Geschmacksdiktat der Wenigen. Und das ist doch tröstlich. Ein Buch direkt für das Antiquariat.

Unsere Bewertung: