Pomerol



Neal Martin
1. Gebundene Ausgabe, 593 Seiten (2012)
Verlag Wine Journal Publishing, ISBN: pomerolbook

Autor(en):


Neal Martin was born in a great Pomerol vintage, 1971, in Leigh-on-Sea, Essex. After graduating from the University of Warwick, he worked in Tokyo teaching English, before returning to London to bluff his way into a job at JAL Trading, procuring fine wine for the burgeoning Japanese market. Over 10 years he nurtured a passion for wine and visited Bordeaux regularly.

In 2003 he turned his spreadsheet of tasting notes into www.wine-journal.com. The site rapidly gained popularity for both its seriousness and irreverence, focusing on Bordeaux and Burgundy. Its success caught the attention of Robert Parker and in 2006 he was invited to contribute to The Wine Advocate and www.erobertparker.com (eRP). Neal continues to pen articles about Bordeaux and the rest of the wine world on Wine Journal, which is now part of eRP.

Neal lives in Guildford with his wife Tomoko and his daughters, Lily and Daisy.
Unser Eindruck:
Gestatten, Pomerol! Mit nur 800 ha Rebfläche eine der kleinsten der über 50 Bordeaux-Appellationen. Seien wir ehrlich, die Gegend besteht aus einem kleinen Nest (okay, Dorf) mit einer überdimensionierten Kirche und ein paar überaus flachen Kieskuppen. Fast das gesamte Gebiet ist mit Weinreben bestockt und obwohl man mit dem Fahrrad in ein paar Minuten hindurchgeradelt ist fällt die Orientierung relativ schwer. "War ich hier nicht schon einmal?". Dennoch übt dieser eher trostlose Flecken Erde mit seinen rund 150 Kleinproduzenten eine ungeheure Faszination auf Weinfreunde in aller Welt aus, macht sich schon beim Fallen des Namens eine gewisse Ehrfurcht breit. Zumeist, weil man von den sagenhaften Weinen eher gehört als schon einmal getrunken hat. "Hast Du schon einmal einen Pétrus getrunken?" ist eine häufig gestellte Frage und die meisten Weinfreunde müssen resignierend antworten: "Nein, leider noch nicht". Ja, Pétrus ist vielleicht das berühmteste Weingut der Welt, aber Pomerol hat mit noch viel mehr ebenfalls berühmten Gewächsen aufzuwarten. Da sind Le Pin und Lafleur, beide Châteaus mit Minimengen und wenn aufzutreiben mit horrenden Preisschildern markiert. Da gibt es weiter die Châteaus L`Evangile, La Conseillante, Trotanoy, Vieux Château Certan und das nicht mit dem sogar noch berühmteren Namensvetter im Médoc zu verwechselnde Latour à  Pomerol. Sie und viele andere zaubern aus ihren wenigen Hektar Rebfläche legendäre Rotweine, zumeist aus der Rebsorte Merlot, die genau hier in weltweit unübertroffener Qualität wachsen.



So wenig verbreitet also die Kenntnis der Weine aus Pomerol ist, so wenig handfeste Informationen gab es bislang über die Region und ihre Produzenten. Mit dem 2012 erschienenen Buch von Neal Martin hat sich diese Situation aber grundlegend verändert. Auf fast 600 Seiten vermittelt der Autor, der für dieses Buch jahrelang recherchiert hat, jedes wissenswerte Detail über Pomerol. Das schwere Werk kommt sehr bescheiden mit nur zwei Farben aus: Schwarzgrau und Orange für besondere Hervorhebungen, alle Bilder sind in Schwarz/Weiß gehalten. Teil 1 des Buches umfasst eine etwa 50 Seiten lange Einführung in die Appellation, gefolgt vom Teil 2, dem etwa 420 Seiten starken Hauptteil mit 45 ausführlichen Château-Portraits. Teil 3 schließt auf 80 Seiten mit einem A-Z Verzeichnis aller recherchierten Weinproduzenten, auch frühere die heute nicht mehr aktiv sind, ab. Im Anhang ergänzen zusammenfassende Jahrgangsbeschreibungen, Glossar und ein Literaturverzeichnis sowie ein ausführlicher Index das Portrait der Appellation Pomerol.

Alle Château-Portraits sind gleich aufgebaut und beginnen mit einer sehr persönlichen Einleitung, die einen Bezug zwischen Château und Neal Martin herstellen. Es folgt ein geschichtlicher Abriss und eine genaue Beschreibung der Weinberge und der Vinifikation. Eine wunderbare Idee war es, jeden Produzenten zu bitten, mit einem Stift eine grobe Handskizze der Weinberge anzufertigen. Heraus gekommen sind detaillierte Karten mit sonst nirgendwo erhältlichen Details, die auf besondere Weise als Handzeichnung eine Verbindung zwischen dem Terroir und den Menschen, die es bearbeiten, herstellen. Jedes Portrait schließt mit einem Überblick über die Weine des Gutes, hier kann Neal Martin auf seinen reichen Schatz an Verkostungsnotizen zurückgreifen.

Soweit zu den eher unspektakulären Fakten des Buches. Was das Buch aber so besonders macht, ist seine Sprache und seine einzigartige persönliche Perspektive. Der Leser lernt das Geheimnis des Gebietes durch die Augen seines Chronisten kennen. Neal Martin ist nicht nur ein sicherer Verkoster, er ist auch ein eindrucksvoller Schreiber. Das Buch ist selbstverständlich in Englisch geschrieben, in einem teilweise sehr anspruchsvollen auch noch. Hinzu kommt der tiefgründige Humor, den es so wohl nur in England gibt. So wird das Lesen wahrlich zum Vergnügen, auch wenn man nicht jedes Wort nachschlagen muss.

Ist das Buch nun ein Lexikon, ein Sachbuch oder einfach nur ein Lesebuch? Es ist eine einzigartige Mischung aller Genres mit enormer Detailtiefe und verblüffendem Sprachwitz. Es rückt die einmalige Verbindung von sensiblen Menschen und ihrem Terroir in den Mittelpunkt. Nur wenn beides zusammen kommt, können so fantastische Weine entstehen. Denis Durantou ist so ein Mensch, Neal Martin fügt hinzu, Denis hätte wohl im Burgund geboren werden sollen, eine Region in der diese Beziehung Mensch - Terroir noch intensiver ist.

Das Buch wird für lange Zeit das Standardwerk über Pomerol sein, eine Appellation, die ihren Siegeszug im Bordelais erst begonnen hat. Eine kleine Hürde hat Neal Martin aber noch eingebaut: das Buch ist ausschließlich bei ihm selbst zu bestellen und wird nicht über den Buchhandel vertrieben.



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