Veuve Clicquot

Die Geschichte des Champagner-Imperiums und der Frau, die es regierte




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Tilar J. Mazzeo
Gebundene Ausgabe, 300 Seiten (2010)
Verlag Hoffmann und Campe, Hamburg, ISBN: 3455501249

Autor(en):

Foto © Hoffmann & Campe, Hamburg

Tilar J. Mazzeo ist Kulturhistorikerin, Biographin und professionelle Feinschmeckerin. Sie lebt im kalifornischen Wine Country und in Maine, wo sie als Dozentin am Colby College arbeitet.

Covertext:
»Veuve Clicquot« steht für Glamour, Stil und Luxus. Wer war die junge Witwe Clicquot, die mit ihrem Champagner die Höfe Frankreichs, Großbritanniens und Russlands in Hochstimmung versetzte und so zur ersten Großunternehmerin Europas aufstieg?

Die Geschichte eines temperamentvollen Schaumweins und einer einzigartigen Frau. Achtung: Berauschend!
Unser Eindruck:
Die Biographie der berühmten "Grand Dame" des Champagners, der Witwe Clicquot, beschreibt eine, man würde heute sagen, "Vollblut-Unternehmerin" in einer Zeit aller größter politischer Umbrüche im Frankreich an der Schwelle des 18. und 19. Jahrhunderts. Fast alles in ihrem Leben stellt sich als extrem heraus, dabei hat sie sich zwar stets mutig gezeigt, aber eigentlich nur immer ihre Arbeit machen wollen. Und die bestand darin, Champagner herzustellen, möglichst den besten! Wie so oft bestimmten Schicksalsschläge ihr Leben - was zunächst schrecklich anmutete erwies sich später meist als Keim des künftigen Erfolgs. So vor allem ihr Markenzeichen: bereits mit 27 Jahren verstarb ihr Mann, den sie zunächst vielleicht nicht unbedingt liebte, später jedoch teilten sie umso intensiver ihre Liebe zum Weinbau und zum Champagner. Ihre gemeinsame Vision, vom reinen Weinhandel bis in den Anbau zurück zu integrieren musste Madame Barbe-Nicole Clicquot-Ponsardin alleine umsetzen.

Barbe-Nicole wuchs als Tochter des Großindustriellen Textilmachers und -händlers Nicolas Ponsardin in Reims auf. Die reiche Familie entkam, wie ihre Tochter auch, nur knapp den Wirren der Revolution in 1789. Durch die Vermählung mit der ebenfalls Großindustriellenfamilie Clicquot kam sie erstmals mit dem Champagnerhandel in Kontakt, der jedoch nur ein kleines Geschäftsfeld dieser Familie ausmachte. Ihr Ehemann, Francois interessierte sich allerdings schon früh ausschließlich für diesen Geschäftszweig und hegte große Pläne. Nach nur sieben Ehejahren verstarb Francois und Barbe-Nicole musste die gemeinsamen Visionen alleine umsetzen. Ihr Vater bestand jedoch darauf, ihr einen erfahrenen Partner an die Seite zu stellen.

Detailliert schildert Tilar Mazzeo die sich anschließende lange Phase der wirtschaftlichen Probleme, die die junge Firma mehrfach an den Rand des Ruins trieb. Dabei spielten die Wirren der jungen Republik in Frankreich mit ihren mehrfachen Rückfällen in die Monarchie eine erhebliche Rolle. Der damals wichtigste Exportmarkt, Russland, erschien über viele Jahre nicht mehr zugänglich. Mit einem sehr mutigen "Husarenstück" gelang es ihr aber am Ende der napoleonischen Kriege, eine komplette Schiffsladung des legendären Jahrgangs 1811 wohlbehalten nach Königsberg zu bringen und zu höchsten Preisen zu verkaufen. Dies war der Grundstein für den sagenhaften Aufstieg des Champagnerhauses Veuve Clicquot. Ein weiterer Eckstein des Erfolges lag in der Erfindung der "remuage" in 1815, die durch das "Rütteln" der kopfüber gelagerten Flaschen ein relativ einfaches und praktisch vollständiges Ausfällen des Hefedepots ermöglichte. Durch diese lange Zeit geheim gehaltene Methode konnte Veuve Clicquot schon früh klare Champagner herstellen und einen erheblichen Wettbewerbsvorteil nutzen.

Die Geschichte der Witwe Cliquot, die seit ihrem 27. Lebensjahr stets schwarz gekleidet blieb und für die der Witwenstatus die persönliche Unabhängigkeit bedeutete, wird entlang der aufregenden historischen Entwicklung Frankreichs erzählt. Immer wieder kreuzen sich in Reims und auch im Hause der Witwe wichtige Linien der französischen Geschichte mit denen der Familien Ponsardin und Clicquot. Obwohl sie selbst nie in den Adelsstand erhoben wurde, konnten ihre Tochter und andere Familienmitglied durch geschickte Heiratspolitik diesen Stand erreichen. Zudem waren ihr Vater und ein späterer Geschäftspartner über längere Zeit Bürgermeister von Reims und damit von erheblichem politischen Gewicht.

Die Autorin portraitiert die Witwe Clicquot als erste Unternehmerin von Rang, der es zudem gelang, eine Branche von handwerklichem Zuschnitt in die Industrialisierung zu transformieren. In den vielen Jahrzehnten ihres Wirkens konnte die Champagnerproduktion vervielfacht werden und zu einer wirtschaftlich bedeutenden Branche aufsteigen. Madame Clicquot war nicht nur sehr reich sondern auch mächtig geworden. Erst der Status einer Witwe ermöglichte in der damaligen Gesellschaft ihre Unabhängigkeit. Gepaart mit Intelligenz, Weitblick und immer wieder unglaublichem Mut schaffte es die hart und unermüdlich arbeitende Frau, der jungen Industrie ihren Stempel aufzudrücken, selbst gegen die übermächtig erscheinende Konkurrenz durch Moet. Die Witwe Clicquot war an erster Stelle Unternehmerin und nicht Weinmacherin. Ein Ausflug in die Bankbranche hätte sie beinahe um ihre Existenz gebracht. Sie war aber auch weitblickend genug, das Unternehmen nicht in die Hände der Familie, sondern professionellen Managern zu geben. Auch dies war damals völlig neu.

Ein spannend geschriebenes Sachbuch, das manchmal Länge zeigt, diese aber immer wieder rasch zu überwinden weiß. Die turbulente Geschichte der Champagne im angehenden 19. Jahrhundert liefert genug Stoff, auch wenn die Datenlage über die Witwe Clicquot bemerkenswert dünn ist. Dies gibt die Autorin auch unumwunden zu und betont die Rechtmäßigkeit, diese Lücken durch Einfühlsamkeit und die Intuition der Biographin zu füllen. Dass in jedem Fall gründlich und wissenschaftlich recherchiert wurde belegen die über 40 Seiten langen Anmerkungen und Literaturstellen. weinrouten.de vergibt nur drei Sterne für die Relevanz in unserem Medium, als wirtschaftshistorisches Sachbuch hätte es vielleicht noch einen mehr verdient. Tolle Urlaubslektüre für Weinfreunde!

Unsere Bewertung: