Große Weine

Notizen aus 50 Jahren zu Weinen aus drei Jahrhunderten




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Michael Broadbent
Gebundene Ausgabe, 671 Seiten (2004)
Verlag Gräfe & Unzer, Hallwag, ISBN: 3774263450

Autor(en):
Mit 80 Jahren ist Michael Broadbent der Grandseigneur der großen Weinkritiker. Über mehrere Jahrzehnte war er Senior Director der von ihm 1966 wieder gegründeten Weinabteilung des angesehenen Auktionshauses Christie`s in London. Als Buchautor und Mitarbeiter wichtiger Weinzeitschriften (z.B. Dekanter) wurde Broadbent weltberühmt.

Covertext:
Michael Broadbent weiß mehr über das Werden und Reifen großer Weine als jeder andere lebende Weinexperte. Nach Lehrjahren im Handel betraute ihn das renommierte Auktionshaus Christie`s 1966 mit dem Wiederaufbau der Abteilung Weinauktionen. Seither "hat er mehr feine und seltene Weine gehandelt und verkostet als irgendjemand sonst auf der Welt" (Oxford Weinlexikon). Mehr noch: Er hat alle seine Sinneseindrücke methodisch und präzise notiert in bislang über 85.000 Einträgen in 133 Verkostungsbüchlein. Das chronologische Ordnen dieser Notizenfülle machte erstmals deutlich, wie lagerfähige Hochgewächse sich entwickeln können.
Unser Eindruck:
Ein schlichtes Buch mit einem Inhalt der Superlative. In über 50 Jahren sammelte der Autor Broadbent rund 85.000 Verkostungsnotizen, von denen über 10.000 in diesem Kompendium auf rund 650 dicht bedruckten Seiten zu finden sind. Als Direktor der Weinabteilung des Auktionshauses Christie`s hat er in aller Welt bekannte und vergessene Weinschätze aufgesucht und unzählige Weine auch verkostet. Auf Grund seiner außergewöhnlichen Erfahrung gilt er heute sicherlich als der anerkannteste Weinkenner weltweit. Da er immer darauf bestand, die zur Auktion angebotenen Weinsammlungen vor Ort zu begutachten und selbst einzupacken, um den Kunden von Christie`s maximale Sicherheit über Herkunft und Lagerung zu geben, hat er in fünf Jahrzehnten auf der ganzen Welt ein unglaubliches Netz zur Weinszene aufgebaut.

Mit dem vorliegenden Werk fasst Broadbent die wichtigsten Eintragungen in seinen 133 Degustationsbüchlein zusammen und ergänzt sie um persönliche Anmerkungen, Anekdoten und Geschichten zu Weinen, Weingütern und vor allem den Menschen aus dem Weingeschäft. Die Notizen sind gut geordnet nach Gebieten, Jahrgängen und schließlich Weingütern. Jahrgänge und Weine werden bewertet mit einem Sternesystem bis fünf Sterne ("hervorragend"). Den besonderen Wert des Buches machen die mehrfachen Bewertungen von wichtigen Weinen über einen längeren Zeitraum aus. Hier kann der Leser die Entwicklung von großen Weinen über eine lange Zeitspanne mit verfolgen. Besonders gute Beispiele sind die Bordeaux-Weine aus den Ausnahme-Jahrgängen 1945, 1947, 1949, 1953, 1959, 1961. Da Broadbent 1952 mit seinen Aufzeichnungen begann, konnte er die Entwicklung dieser Weine praktisch von Anfang an verfolgen. Den Mouton 1945, den er als "Legende" bezeichnet und anmerkt, "einen mit diesem Gewächs vergleichbaren Wein gibt es nicht" hat er unzählige Male verkostet, erstmals 1954. Es ist übrigens einer der extrem seltenen Weine, die von Broadbent 6 Sterne bekommen! Aber auch beispielsweise den Lafite von 1875 konnte er mehr als ein Dutzend Male verkosten, wem ist es schon vergönnt, einen solchen Wein nur ein einziges Mal zu kosten?

Broadbent bekennt sich zur außergewöhnlichen Qualität und Bedeutung von roten Spitzen-Bordeauxweinen und verwendet fast ein Drittel des Buches auf diese großen Weine. Er begründet dies mit der außerordentlichen Lagerfähigkeit der Weine und damit, dass diese Weine sich als einzige im Laufe von Jahrzehnten auf der Flasche entwickeln. Gleichzeitig bemängelt er an vielen Stellen die modernen Kellertechniken, die viele große Weine zwar schon früh trinkreif werden lassen, ihnen aber die enorme Lagerfähigkeit wegnehmen. Auch deswegen sei der 1945er Jahrgang so herausstechend, da damals weder die Mittel (Kriegsende) noch die Kenntnisse (keine önologischen Berater!) für eine aufwändige Kellertechnik vorhanden waren. Ein weiteres Drittel des Buches ist den übrigen französischen Weinen gewidmet. Österreichische Weine fehlen in diesem Buch völlig, wofür sich der Autor auch entschuldigt mit dem Hinweis auf die zahlreichen kurzlebigen, jedoch sehr guten Weißweine aus diesem Land.

Dieses Buch ist für jeden echten Wein-Fan ein unverzichtbares Standardwerk und ergänzt insbesondere andere Bordeaux-Übersichten, z.B. von Parker oder Gabriel. Es ist ein Buch zum Schmökern, nicht zum Durchlesen und bietet unendlich viel Hintergrundinformation zu Jahrgängen, Abfüllungen, dem Weingeschäft und den marktbestimmenden Personen. Und schließlich bleibt eine wichtige Erkenntnis übrig: jeder Wein ist nur so gut wie die gerade geöffnete Flasche. Da helfen keine Sterne und keine Experten, jede Flasche kann enttäuschen oder begeistern. Wein ist eben ein Naturprodukt und jede Flasche erzählt eine Geschichte. Die ihrer Abfüllung, ihres Korkens, ihrer Lagerung, ihres Transportes oder ihrer Flaschengröße. Vielleicht auch die Geschichte ihres Kaufs und ihrer Besitzer. Da kann es sich Broadbent nicht verkneifen, die Tatsache, dass 1979 bei einer Hochzeit alle 132 Flaschen Château Margaux 1900 eines Kellers getrunken wurden, als "Verschwendung" zu bezeichnen.

Unsere Bewertung: