Das Weinjahr 2020 im Rückblick

15. November 2020


Das Jahr 2020 wird als das Jahr der Corona-Krise in die Geschichte eingehen. Angesichts des vielen Leids fällt es schwer, nur über die Weinwelt zu sprechen. Wir versuchen trotzdem eine Einordnung, denn viele Veränderungen werden auch nach der Krise Bestand haben. Und es gibt nicht nur Negatives zu berichten, das macht doch Hoffnung.

  • Covid-19 zwingt die Welt in den Lockdown

    Durch den frühen Lockdown im März und mit dem Erliegen des internationalen wie nationalen Reiseverkehrs wurden alle Weinmessen und Weinpräsentationen abgesagt. Am längsten zögerte man die Absage der Bordeaux Primeurverkostung hinaus, musste dann aber schließlich doch einlenken. Die Journalisten konnten nicht anreisen und die Produzenten fürchteten, die fragilen Jungweinproben könnten einen längeren Transport nicht unbeschadet überstehen. So blieben dann die wichtigen Bewertung aus. Später entschieden sich einige Weingüter, doch Probeflaschen zu verschicken. Aber nicht alle Journalisten waren bereit, eine ihrer Ansicht nach nicht sicher korrekte Bewertung abzugeben. Dabei sind sich viele Beobachter einig, das der Bordeaux-Jahrgang 2019 ein ganz vorzüglicher sei.

    Trotz der wirtschaftlichen Lage und fehlender Bewertungen kam es im Sommer dann doch noch zu einer Primeur-Kampagne, die durch teils massive Preisabschläge auf ein sehr gutes Preis-/Leistungsverhältnis auf Interesse stieß. In vielen Weinregionen wurden die Rotweine aus dem Jahrgang 2017 in den Verkauf geführt, ein teilweise sehr guter Jahrgang dessen einziger Fehler ist, dass er auf den Jahrhundertjahrgang 2016 folgt.

  • eTastings sind der neue Trend

    Mit dem Lockdown führte auch in der Weinwelt der Weg in die Digitalisierung. Viele Weingüter boten ihre Weine in eilig aufgesetzten Webshops direkt den Konsumenten an und boten Händlern und Journalisten die Möglichkeit, an virtuellen Verkostungen teilzunehmen. Dabei wurden Probeflaschen vorab per Post zugesendet und dann gemeinsam verkostet - durch die Weingüter moderiert. Wir konnten selbst an einigen eTastings teilnehmen und müssen zugeben, daß das gut funktionieren kann. Vielleicht ist es doch effizienter, sich für eine Stunde vor den PC zu setzen als 1000 km in die Champagne zu fahren.

    Auch die Weinjournalisten warteten nicht untätig auf das Ende der Reisebeschränkungen. Sie intensivierten massiv ihre Präsenz auf den gängigen Social Media Kanälen und machten zahlreiche Interviews, z.B. über Instagram. Auch hier gab es viele tolle Beispiele für interessante Gespräche.

  • Weinhandel im Wandel

    Erheblich eingeschränkte Bewegungsfreiheiten und über längere Zeiträume die Schließung der Gastronomie waren für den Weinverkauf ein harter Rückschlag. Der Konsum in den Restaurants brach ein, der gegenläufig steigende Konsum im Privatbereich konnte diesen Rückgang nur teilweise kompensieren. Wo nicht gefeiert werden durfte, da wurde eben auch wenig konsumiert. Wochenlange Schließungen der Weinfachgeschäfte sowie das Vermeiden, Läden zu betreten ließen den Online-Handel mit Wein boomen. Vorher nicht gekannte Steigerungsraten waren in den Lockdown-Phasen nicht ungewöhnlich. Dieser Umsatz fehlt dem stationären Handel und wird auch nicht komplett wieder zurückkehren. Ein dauerhafter Wandel, der viele Branchen betrifft. Speziell im gehobenen Weinsegment, das von einer Kundschaft mit eher höherer Zurückhaltung beim eCommerce geprägt ist, wurde die Eintrittsbarriere in den Online-Kauf deutlich abgesenkt.

  • Die Nachhaltigkeit erreicht die Weinwelt

    Äußerst bemerkenswert war eine Präsentation des Champagner Hauses Ruinart, die speziell dem Thema Nachhaltigkeit gewidmet war. Ruinart ist dabei die "first mover" Marke des Hauses LVMH, das über ein riesiges Portfolio an großen und berühmten Champagner-Marken verfügt und bedeutende Fortschritte bei dem Thema zum Ziel hat. Ruinart hat als wichtigsten Baustein eine neue Schutzhülle für seine Flaschen aus Papier entwickelt. Diese "second skin" genannte Außenhaut mit Klappmechanismus zum Verschließen schützt vor Licht und bis zu einem gewissen Maß auch vor Hitze / Kälte und Feuchtigkeit. Die Verpackung ist kompostierbar und ersetzt die früher verwendeten aufwändigen Geschenkpackungen. Eingeführt wurde des System jetzt bei der Blanc de Blancs Qualität.

    Mit dieser Initiative eröffnet sich der Weg zu beeindruckenden Einsparungen bei Verpackungsmüll und wegen des geringeren Gewichts und Volumens bei CO2-Emissionen. Allerdings darf man nicht übersehen, dass kaum ein Wein- bzw, Champagnerproduzent aufwändigere Verpackungen zelebriert als das Haus LVMH.

  • La Revue du Vin de France übernimmt 100 Punkte System

    Die Zeitschrift "La Revue du Vin de France" ist neben dem "Decanter" die letzte Referenz von Bedeutung unten den europäischen Weinjournalen. Die Entscheidung, von der 20 Punkte auf die 100 Punkte Skala zu wechseln, kann man als Paukenschlag bewerten. Das November-Heft 2020 liefert die Begründung: man stemmt sich gegen die Bedeutungslosigkeit, da 20 Punkte international nicht vermittelbar sind. Und was nicht verstanden wird ist nichts wert und wird nicht zitiert.

    Die Entscheidung der berühmten RdVF, DER Referenz für die großen französischen Gewächse, zementiert die Dominanz und wirtschaftliche Bedeutung der amerikanischen Weinkritik. Über den Preis eines Weins entscheidet heute fast nur noch die Punktzahl der wenigen relevanten Weinkritiker. Kein einziger weiterer Faktor hat in den letzten 30 Jahren eine derart herausragende Bedeutung erlangt in der unendlich vielfältigen Weinwelt.