30 Jahre Vini d`Italia

30. Januar 2017


Das vielleicht berühmteste und erfolgreichste Produkt des Verlags Gambero Rosso ist der Weinführer "Vini d`Italia", 1988 erstmals erschienen. Er hat nicht nur Weingeschichte geschrieben sondern ist selbst zur Legende geworden. Nur ein Jahr später erschien die 1. Übersetzung: in Deutsch! Mit seinen weiteren Übersetzungen (u.a. auch Japanisch, Chinesisch) transportiert das stattliche Werk die Faszination der großen italienischen Weinbautradition in die Welt. Sein Anteil an dem Triumphzug des Weins aus Italien durch die vergangenen Jahrzehnte ist kaum zu überschätzen.

Und dann gibt es noch die deutschen Weinfreunde, deren Verbundenheit mit Italien und all seinen Produkten Legende ist. Und der Wein steht dabei ganz oben auf der Sehnsuchtsliste. Die Liebesbeziehung begann mit der Flasche Chianti in den 70er und 80er Jahren, gefolgt vom Prosecco-Boom der Bildungsbürgerelite in den 90ern. Die Toskana-Fraktion entdeckte den Brunello, der war schon richtig teuer. Andere Touristen kamen aber nur bis zum Gardasee - schon wegen der Sprache, denn weiter im Süden ist man mit Deutsch doch recht verloren. Dafür gab es hier den Bardolino, Valpolicella und für die wohlhabenden Touristen den Amarone. In den 90ern wurde zudem das Piemont entdeckt, der Kofferraum mit feinsten Baroli und Barbaresci vollgestopft. Mit dem Erfolg kamen die Investoren, die in der Toskana weite Flächen vorfanden. Das vorerst letzte Kapitel des Erfolges begann 1985 an der toskanischen Küste rund um Bolgheri. Der Sassicaia 1985 hatte sensationelle 100 Punkte bekommen - mit französischen Rebsorten. Unerhört. Und unerhört gut.

Der Vini d`Italia hat vor allem die deutschen Weinfreunde stets sicher begleitet. Lange waren die Weingüter der Region nach Ortschaften sortiert. Und wer nicht wußte, wie die Gemeinde heisst, in der die Tenuta San Guido liegt, musste sich durch sehr viele Seiten blättern. Dennoch war der Suchende schon in der zweiten Runde, denn wer wusste schon, wie das Weingut des Sassicaia hieß? Das ist alles Vergangenheit, der Vini d`Italia ist aufgeräumt, benutzt immer noch die 3-Gläser als Bewertungsschema - und ist in die Jahre gekommen. 30 sind es mittlerweile. Geblieben ist die Liebesbeziehung des Vini d`Italia mit dem Münchner Publikum. Und so war die Prater-Insel mitten in der Isar auch der Veranstaltungsort der Jubiläumsausgabe des 30. Vini d`Italia.


Auch dieses Jahr kam Sapaio aus Bolgheri wieder nach München und brachte den großen Jahrgang 2013 mit. Ein Powerhouse mit 20% Petit Verdot!

Allerdings scheint es sich mittlerweile um eine etwas abgekühlte Liebesbeziehung zu handeln. War die Veranstaltung im vergangenen Jahr an der Kultstätte des Vini d`Italia, dem BMW-Museum, noch ordentlich besucht, so entstand auf der viel kleineren Praterinsel diesmal kein Gedränge. Nur 82 Produzenten stellten aus, davon nur ganze vier aus dem Piemont. Die Weinelite Italiens fehlte fast gänzlich, einer der wenigen Sterne am Himmel war die Tenuta San Guido mit ihrem Sassicaia und wie immer bestens vertreten vom Importeur Alpina. Immerhin 17 Kellereien kamen aus der Toskana, aber auch hier mit Ausnahmen nicht die erste Garde dieser großartigen und vielfältigen Weinregion. Eigentlich wäre die Praterinsel ein würdiger Rahmen, die Hälfte der Produzenten aber in die Katakomben zu verbannen war keine gute Idee. Schlachthaus-Atmosphäre für große Weine?

Richtig schlecht gewählt war der Termin. Parallel fand in München eine große VDP-Verkostung statt, von der VINISUD in Montpellier gar nicht zu sprechen. Und so hetzten Teilnehmer durch den Schneeregen zwischen den beiden Veranstaltungsorten in der Münchener Innenstadt hin und her.


Chefredakteur Marco Sabellico präsentierte die neun Sonderpreise des Jahres

Chefredakteur Marco Sabellico betonte in der Pressepräsentation, dass für die Ausgabe 2017 45.000 Weine verkostet wurden. Daraus prämierte man 403 Weine mit den "3-Gläsern", alle diese Weine seien exzellent. Zusätzlich vergab der Verlag Sonderpreise in neun Kategorien für die "magischen" der exzellenten Weine. Nun ja, eigentlich waren es zumindest acht der neun Prämierten, die sich durch Rückbesinnung auf die italienischen Weinbautraditionen, nachhaltiges Wirtschaften und den Mut zur Konzentration auf bereits verloren geglaubte Rebsorten, Weinregionen oder Vinifizierungstechniken auszeichneten. Ein sehr lobenswerter Ansatz, aber ob das die besten Weine des Jahrgangs in Italien waren bleibt sehr zweifelhaft. So keltert der Winzer des Jahres "BioVino" aus Ligurien "Pigato", der auf den Steilterrassen der ligurischen Küste wächst. Der Preis für den "Preisknüller" (?) des Jahres geht in die Marken, der Wein wird aus "Pecorino" gekeltert, eine beinahe ausgestorbene Rebsorte. Der Rotwein des Jahres stammt aus Apulien ganz im Süden Italiens, gewonnen aus der Rebsorte "Primitivo" (Chiaromonte).

Chefredakteur Marco SabellicoDas waren alles gute und auch sehr gute Weine, die zudem etwas zu erzählen haben. Die Rückbesinnung auf die Tradition und zeitgemäße Techniken wurden immer wieder erwähnt. Unter "zeitgemäß" versteht der Vini d`Italia die Verbindung der besten Vorgehensweisen der Traditionalisten ohne auf die Vorzüge der modernen Weinbergs- und Kellertechniken zu verzichten. Auch dagegen gibt es keine Einwände. Aber wer die besten Weine Italiens erwartet hatte, fand die vielleicht spannendsten Entwicklungen und Neuentdeckungen (?) präsentiert.


Alpina brachte mit dem 2003er Guidalberto den erst dritten Jahrgang dieses großen Weins der Tenuta San Guido mit. Super spannend.

Die Weine Italiens sind extrem vielfältig und daher nicht so einfach zu verstehen. Der exorbitante Erfolg der französischen Rebsorten in den letzten beiden Jahrzehnten hat nun wohl eine Gegenbewegung ausgelöst. Man wendet sich wieder den autochtonen Rebsorten zu, ersetzt die Barriques wieder durch die traditionellen Botti aus altem Holz und bevorzugt einen leichteren, nicht so alkoholbetonten Weinstil. Und dann drückt da noch die Konkurrenz des Vini d`Italia: der Slow Wine, der genau diese neue Linie als Nische auserkoren hat. Dass der Slow Wine keine Gläser sondern eine Schnecke als Auszeichnung vergibt klingt zwar sehr langsam, ist aber nicht minder gefährlich.

Nicht nur die Weinwelt, auch die des Weinjournalismus ist in Bewegung. 30 Jahre Erfolg sind doch eigentlich ein gutes Polster. Und wenn die großen Weingüter wieder kommen und ihre besten Weine mitbringen, werden die Münchner auch wieder in die Verkostungshallen strömen. Wenn nicht, dann muss man sich Sorgen machen, ob die legendäre Veranstaltung in München bald nur noch eine Erinnerung sein wird.

Und bitte holen Sie den Sassicaia wieder aus dem Keller, einen der größten Jahrgänge dieses Weins im hintersten Eck im Keller zu präsentieren ist ein Faux Pas.