Mit Laptop und Wein zum Assistent Sommelier

25. Juli 2015


Wenn sich eine Gruppe von Weinliebhabern, Restaurantbesitzern, Weinbuchautoren, Weinhändlern und Weinbar-Besitzern eine Woche lang zusammen setzt und einem Profi-Sommelier alle Fragen stellt, die sie je über Wein wissen wollten, taucht man tiefer in die Materie ein, als ich mir je hätte vorstellen können. Ich sitze zusammen mit 21 weiteren Teilnehmern in dem Gebäude der IHK in Würzburg und möchte mich zum Assistent Sommelier ausbilden lassen. Zu meiner Überraschung ist das Publikum sehr gemischt, von 20 bis 70-jährigen sind alle Altersgruppen vertreten, aus ganz Deutschland sind sie angereist und nicht alle arbeiten in der Weinbranche – nur eines haben alle Teilnehmer gemeinsam: sie lieben Wein.

In den folgenden Tagen bereiten wir uns auf die Abschlussprüfung vor. Wer besteht, darf sich dann nach WSET, dem Wine and Spirits Education Test, im Level 2 als Assistent Sommelier bezeichnen. Bei dieser Ausbildung kann man die Grundlagen über Wein lernen. Der Unterschied zum Sommelier besteht darin, dass man nicht noch zusätzlich in der Gastronomie und auf einem Weingut gearbeitet haben muss – abgesehen vom zusätzlichen Umfang der Prüfung. Maximal kann man im Level 5 den Master of Wine abschließen, die höchste Ausbildungsstufe der Branche an der jedoch schon viele aufgrund der hochkomplexen sensorischen Prüfung scheiterten. WSET ist in Deutschland noch weitgehend unbekannt, die Organisation kommt aus England und dort genießen die Absolventen vor allem in der Gastronomie ein sehr hohes Ansehen.




Jürgen Hammer ist unser Dozent für die ersten zwei Tage, anschließend werden wir von der vorbildlichen Lehrerin Yvonne Heistermann unterrichtet. Beide haben mich mit ihrem enormen Wissen sehr beeindruckt, doch hätten sie in Ihrem Wesen nicht unterschiedlicher sein können. Jürgen bietet uns sofort das Du an, gehört zu den besten Sommeliers in Deutschland, betreibt eine Weinbar im hippen Berlin und trägt ein überdimensional großes Tattoo auf dem Unterarm auf dem steht: „Riesling rocks“. Seine Begeisterung für Wein ist nicht zu übertreffen und sehr ansteckend. Wir lauschen ihm gespannt Stunde für Stunde und ich versuche so viel Wissen wie möglich aus diesem Kurs mitzunehmen.

Viele Quereinsteiger möchten sich mit dieser Ausbildung einen Lebenstraum verwirklichen und in der Weinbranche arbeiten. Mit 1.300.- Euro ist der Unterricht nicht gerade billig, trotzdem ist jeder Platz besetzt. Wir bekommen schon Wochen vor dem eigentlichen Beginn die Lehrbücher zugeschickt und es ist kaum jemand dabei, der das Buch nicht schon auswendig gelernt hatte, bevor es überhaupt los ging. In den nächsten fünf Tagen begeben wir uns auf eine virtuelle Reise um die Welt, es ist kaum zu glauben, wie viel Stoff man in dieser Zeit unterrichten kann. Als Sommelier hat man es heutzutage oft schwer, denn es gibt kaum eine Empfehlung die der Kunde bzw. Gast akzeptiert, ohne sein Smartphone zu zücken und die Aussage auf andere Meinungen hin zu überprüfen. Jürgen meinte „in den 80ern war man als Sommelier Gott“, da konnten die Leute nicht alles sofort nachlesen. Heute muss er häufig seine Weinpreise verteidigen, denn der Kunde überprüft in Sekundenschnelle andere Portale und zitiert dann oft unseriöse Angebote – eine schwierige Situation für einen Sommelier.

Der richtige Umgang mit dem Gast ist ein großes Thema, wir lernen nicht nur wie man eine Flasche Wein auf Sterneniveau öffnet, sondern auch eine Weinempfehlung zu einem besonderen Essen zu geben. Dieses Thema hat mich besonders fasziniert und die Art des Lernens war sensationell. Alle Teilnehmer haben einen kleinen Teller mit verschiedenen Pulvern bekommen und wir probierten gemeinsam im Uhrzeigersinn: Glukose, Fruktose, Apfel-, Wein- und Zitronensäure, Meersalz, Koffein und Rotweintannin – immer in Kombination mit verschiedenen Weinen. Säure ist - wenn sie in guter Balance auftritt - in hochwertigen Weinen eine sehr positive Eigenschaft. Wenn man bei einer Verkostung jedoch automatisch das Gesicht so verzieht, als hätte man eine Portion saure Schlümpfe genascht, kann davon nicht die Rede sein. Wir verkosten zunächst einen relativ sauren Wein, den keiner der Teilnehmer gerne freiwillig ausgetrunken hätte. Anschließend nehmen wir eine Messerspitze der Zitronensäure zu uns und verkosten den Wein dann noch einmal. Der Unterschied ist kaum zu fassen: der Wein gibt sich wesentlich geschmeidiger und runder, die Säure ist nicht länger dominant, sondern verleiht eine angenehme Frische. Das Lernziel war erreicht, alle Teilnehmer empfehlen ab sofort zu einem spritzigen Wein einen Salat mit einem möglichst sauren Dressing - denn Säure im Essen und Säure im Wein heben sich gegenseitig auf. Den gleiche Effekt kann man auch beim süßem erreiche: süße Weine brauchen immer eine süße Speise. Salzigkeit im Essen kann gut harmonisierend wirken auf Säure, Gerbstoffe und Tannine – gewiefte Winzer reichen deshalb bei Ihren Verkostungen Speckwürfel.






Die Thematik des Weins ist unüberschaubar groß, deshalb wird bei den Basics angefangen: den Rebsorten. WSET legt einen großen Wert darauf, dass alle Teilnehmer einen guten Überblick über die jeweiligen Anbauregionen der Rebsorten haben, man sitzt also einige Zeit vor der Weltkarte und überlegt sich, wo und warum zum Beispiel Merlot angebaut wird oder eben nicht. Um ein Etikett lesen zu können, muss man um die verschiedenen Kategorisierungen der Weine Bescheid wissen, ein Kunststück, wenn man bedenkt, dass sogar innerhalb der Weinregionen unterschiedliche Etikettierungen vorkommen.

Jeder Teilnehmer hat zwei Gläser Wein, Wasser und einen Spucknapf vor sich. Im Verlauf der Woche verkosten wir 36 Weine jeweils passend zum Themengebiet. Wir bekommen einen guten Überblick über die Vielfalt der Weine, ich persönlich hätte jedoch die Hälfte der Weine und dafür eine bessere Qualität bevorzugt. Unsere Lehrerin Yvonne Heistermann, die auch die Botschafterin des Schweizer Weins ist, bringt uns auch das systematische Verkosten von Wein bei. Der optische Eindruck muss stimmig sein, der Wein wird auf Klarheit, Farbtiefe und Farbton überprüft. Anschließend wird der Geruch analysiert, wie intensiv ist er und welche Aromen zu erkennen sind. Erst dann wird der Wein verkostet und in Bezug auf Süße, Säure, Tannin, Körper, Geschmacksausprägung und Abgang bewertet. Wir diskutieren gemeinsam und entscheiden uns nach dem Gesamteindruck für die Zuordnung der Qualität.






Die Prüfung und somit auch die Nervosität rücken näher, ein Schüler ist Winzer und selbst er lernt nicht aus. Es werden Bögen ausgeteilt und akribisch beschriftet, 50 Multiple Choice Fragen müssen beantwortet werden. Anschließend folgt die mündliche Prüfung, jeder Teilnehmer muss sich einigen Fragen stellen. Angeblich sei die Durchfallquote in Level 2 gering und außerdem ist es wohl die einzige Prüfung weltweit, zu der ein kühler Schluck Champagner serviert wird.




Ausbilderin Yvonne Heistermann legt professionell und engagiert ein großes Tempo vor.
















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