The Wine Advocate nach Singapur verkauft

14. Dezember 2012


Mitten in die vorweihnachtliche Shoppingzeit platzt in der Weinwelt eine Bombe: Robert Parker, der einflussreichste Verkoster und Bewerter von Spitzenweinen hat die Mehrheit an seinem legendären Newsletter "The Wine Advocate" an drei Investoren in Singapur verkauft. The Wine Advocate erscheint im 34. Jahr und Parker konnte vor Kurzem stolz seine 200. Ausgabe präsentieren. Was damals ganz klein und bescheiden angefangen hat präsentiert sich heute als regelrechtes Imperium aus Print- und Onlinemedien. Neben dem gedruckten Newsletter sind vor allem Parkers Bücher berühmt geworden. Heute nimmt die Bedeutung der online-Ausgaben immer mehr zu. Die Website eRobertParker.com ist eine der wichtigsten Webadressen in der Weinindustrie.



Parker wurde sogar die Ehre des Titelhelden eines französischen Comics zuteil. Er selbst hat sich darüber aber nicht sehr gefreut. Hier eine Schlüsselszene - mit freundlicher Genehmigung des Verlags 12bis.com, Paris.

Parker wurde berühmt, als er als junger amerikanischer Verkoster den Bordeaux-Jahrgang 1982 extrem hoch bewertete. Und das zu einer Zeit, als alle anderen bereits etablierten Weinkritiker in diesem Punkt anderer Meinung waren. Parker hat Recht behalten und wurde berühmt und einflußreich. Zusammen mit seiner "Erfindung", das amerikanische Bewertungssystem mit 100 Punkten auf die Bewertung von Weinen zu übertragen, hat er die Weinwelt revolutioniert. Eine Revolution mit Licht und Schatten. Während man in Europa ihm gegenüber immer skeptisch blieb, war sein Erfolg in den USA umso größer. Über eine ganze Generation von Weinliebhabern hinweg bestimmte Parker, was gut und was weniger gut schmeckte. Insbesondere die amerikanischen Konsumenten wurden so für den europäischen Weinmarkt erschlossen. Als Konsequenz stiegen die Preise für die Spitzenweine drastisch an und viele Produzenten änderten ihren Weinstil auf eine Weise, die Parker offensichtlich gefiel.

Der Höhepunk der Kritik an diesem System der "Parkerisierung" wurde 2005 in dem Kinofilm "Mondovino" von Jonathan Nossiter formuliert, der das Meinungsmonopol von Robert Parker und seinem mächtigsten Verbündeten, dem französischen flying winemaker Michel Rolland, tatsächlich schwer getroffen hat. Dennoch bleibt es außer Frage, dass Parker ganze Weinregionen (wie z.B. die Rhà´ne, Kalifornien) in der Weinwelt etabliert hat. Sein Urteil ist immer noch mit sehr großem Abstand das wichtigste Kriterium für den Preis eines Topweins.

Nun also der Verkauf nach Singapur, zunächst mit einer Mehrheit, sodaß Parker noch glaubwürdig Starthilfe für die neuen Besitzer geben kann. Die Medien berichten über einen Kaufpreis von rund 15 Mio. Dollar und drei Investoren, von denen zumindest zwei nichts mit Wein zu tun und rein finanzielle Interessen haben. Die Chefredaktion wird von den USA nach Singapur verlegt, Lisa Perrotti-Brown wird diese Funktion vor Ort übernehmen. Sie war bereits seit einigen Jahren eine von fünf Weinkritikern, die sich im Auftrag von Parker um bestimmte Weinregionen gekümmert hat. Relativ sicher ist auch, dass das Team um einen Verkoster für China erweitert wird.

Gegenstand heftiger Spekulationen sind die vermuteten Auswirkungen dieses Verkaufs. Asien ist in den vergangenen Jahren als Markt und auch als Produzent von hochklassigen Weinen immer wichtiger geworden und hat manchen traditionellen Markt abgelöst. Was fehlte, war eine respektierte Instanz zur Bewertung der neuen Weine. Das Potenzial für einen solchen Shift und zugleich eine starke Berücksichtigung von Weinen aus der Region ist enorm. Wer viel investiert, der möchte auch einen hohen Return on Investment sehen. Eine Öffnung für Werbung, die bislang strikt abgelehnt wurde, scheint nun greifbar. Selbst wenn man auf Werbung für Weine verzichtet leiben noch viele Luxusprodukte, die sich hierfür anbieten.

Rätselhaft ist derzeit auch, ob die Print-Ausgabe von TWA zugunsten rein elektronischer Medien eingestellt wird. Dies wurde immer wieder angekündigt, aber bislang nicht umgesetzt. Zu groß ist noch die Schar der rund 50.000 Print-Abonnenten, die zu etwa 75% in den USA zu finden sind.

Die Zukunft dieser wichtigsten Publikation bleibt also äußert spannend, die Zukunft des "fine wine market" wird vermutlich in Asien liegen. Betrachtet man das etablierte Preisfindungsgeschehen nach der üblichen Primeurwoche in Bordeaux, dann ist auch die Frage offen, wer hier künftig den Maßstab setzt. Eine erneute Zeitenwende kündigt sich an, denn Parker ist im Sommer 2012 65 Jahre alt geworden und möchte sich offensichtlich zurückziehen.