Das Weinjahr 2011 im Rückblick

17. Dezember 2011


Seit etwa 10 Jahren ist die Weinwelt einem raschen Wandel ausgesetzt wie noch nie zuvor. Das ist umso erstaunlicher, als der Vegetationsverlauf ja den Jahreszeiten folgt und hier nicht beschleunigt werden kann. Abseits der Weinberge aber zeichnet sich immer mehr eine Revolution ab, die den Wandel von der Agrarwirtschaft hin zur globalen Weinindustrie beschreibt. Schon öfter in der Geschichte wurden Fabelpreise für bestimmte Weine bezahlt, z.B. für deutsche Rieslinge in der aufstrebenden Nobelhotellerie der Grand Hotels oder für Champagner an den Fürsten- und Zarenhäusern. Was aber seit dem Jahrgang 2000 passiert ist, bleibt ohne Beispiel.

Angelockt durch die hohen Preise einer global immer breiteren Liebhaberschaft und ihrem zunehmenden Wohlstand wurde das "Wein-Business" immer rentabler. So rentabel, dass sehr viel branchenfremdes Kapital investiert wurde. Kapital, das immer höhere Renditen verlangte und sie auch bekam. Diese wurden dann in Marketing, Keller, Technologie und Forschung gesteckt. Es begann sich zu lohnen, sich ausschließlich auf Top-Qualitäten zu konzentrieren, mit kleinen Ernten und Bioanbau. Masse war out, dafür sorgte schon die Konkurrenz aus Übersee, die noch viel billiger produzieren konnte. Heute gehören die renommiertesten Betriebe, die berühmtesten Châteaus fast ausnahmslos Konzernen oder SEHR reichen Privatpersonen.

Seit etwa 4-5 Jahren kam mit China ein neuer, schier unendlicher und extrem kaufkräftiger Markt hinzu. Er hat die Wein-Industrie nochmals auf eine völlig neue Stufe gehoben und die Mechanismen des Erfolgs erneut verändert. 2011 war dabei das Jahr, in dem der chinesische Markt endgültig die Führungsrolle übernommen hat. Die Präsenz in China ist für jeden Produzenten überlebenswichtig geworden. Die Wine Future Hong Kong im November hat dies mehr als nachdrücklich belegt. 2011 war aber auch das Jahr der ersten größeren Direktinvestments chinesischer Gesellschaften insbesondere in Frankreich. Zuerst wurden die Flaschen gekauft, jetzt die Weingüter.

Während in der ersten Jahreshälfte die Preise für die Auktionsweine noch in den Himmel schossen, markierte der Sommer die Wende zu einer sehr deutlichen Marktkorrektur. Der Durst der Chinesen nach Lafite-Weinen scheint gestillt zu sein. Für diese Wende war aber nicht nur der Einbruch der Kapitalmärkte verantwortlich, die extreme Subskription das Jahrgangs 2010 im Frühjahr hat die Kaufkraft der Weinmärkte überfordert- und viele Kommentatoren in den Medien. Die noch nie da gewesenen Preise wurden zwar bezahlt, aber nur sehr wenige Weine waren am Ende auch komplett verkauft. Beobachter vermuten, dass nur rund 60% der Subskriptionsweine Käufer gefunden haben. Dennoch: während die Stars Geld drucken, navigieren die kleineren Produzenten am Rande der Existenz. Die Geister, die Parker & Co riefen, werden sie nun nicht mehr los.

Und wie hat sich die Qualität des Jahrgangs 2011 entwickelt? Ein extrem frühes Frühjahr in Europa führte dazu, dass die Natur mehrere Wochen vor ihrem normalen Zeitplan lag. Dieser Vorsprung wurde bis in die Ernte nicht aufgegeben, fast überall lag die 2011er Ernte so früh wie kaum je zuvor. In Frankreich war 2011 insgesamt ein eher durchschnittlicher Jahrgang, quasi eine Pause nach dem legendären Zwillingsjahrgang 2009/2010.

Feiner Wein und feines Essen sind Megatrend geworden, omnipräsent in allen Medien. Kochshows auf allen Fernsehkanälen und Winzer, die zu Superstars avancieren. Dies alles wird begleitet durch eine unübersehbare Flut von Publikationen, online und auch offline. Auch weinrouten.de konnte seine Leserschaft seit 5 Jahren in Folge immer verdoppeln - und dieser Trend geht ungebrochen weiter. Das Interesse unserer Leser und die durchweg positive Resonanz der Menschen, die wir bei unseren Recherchen treffen konnten, ermutigt zum Weitermachen. Auf ein spannendes Weinjahr 2012.