Eine Holzkiste ist für Wein kein Luxus


Gevrey-Chambertin, Burgund: es ist tatsächlich gelungen, noch 6 Flaschen Clos de la Roche des Fabel-Jahrgangs 2009 der Domaine Dujac zu einem sehr fairen Preis aufzutreiben. Doch dann die Ernüchterung: die Flaschen sind in einem schlichten, weißen 6er Karton verpackt - ohne weitere Aufschriften. Die Dame in der Vinothek ist sich sicher, die Domaine Dujac bietet überhaupt keine Weine in Holzkisten an. Nicht zu glauben, für ein so berühmtes Weingut! Der Weg zur Domaine ist nur wenige Kilometer lang. Das kurze Gespräch mit Jacques Sysess ist sehr aufschlussreich: ja, es gibt keine Holzkisten. Nach der Philosophie des Hauses käme es schließlich auf den Inhalt und nicht die Verpackung an. Die Vermutung der Dame in der Vinothek ist eher, dass im Burgund viele Produzenten aus Kostengründen auf teure Holzkisten verzichten. Während im Bordelais selbst kleine Weine in aller Regel in 12er Original-Holzkisten ("OHK") ausgeliefert werden, ist dies im Burgund weitgehend unbekannt. Ausnahmen gibt es, darunter natürlich die Domaine de la Romanée Conti (schon der Besitz einer echten DRC-Kiste ist ein Privileg!), Comte de Vogüé, Clos de Tart und auch andere. Ist es nicht komisch, dass Weine, die oftmals mehrere hundert Euro kosten, in schlichten Pappkartons verpackt werden? Von einem Einwickelpapier erst gar nicht zu reden.

Die klassische Holzkiste wirkt hochwertig, ist sehr robust und hat sich über viele Jahrzehnte als sicherer Lagerplatz für Wein bewährt. Sie ist zudem universell im Sinn eines "kleinen Übersee-Containers", d.h. unabhängig von der Flaschenform leicht zu stapeln. Durch den Holzbrand auf der Vorderseite erkennt man sofort den Wein und die Verpackung hält einiges an Feuchtigkeit aus. Moderne OHK sind feiner gehobelt und teilweise werden sogar die Kanten leicht abgefräst. Sehr teure Kisten werden mit einem stabilen Kunststoffband umwickelt, für die sogar Nuten gefräst werden. Bei alten, sehr teuren Weinen ist ein intaktes Sicherungsband ein solider Nachweis der Echtheit und wird auf Auktionen mit Aufschlägen honoriert. Weine in ungeöffneten OHK sind in aller Regel bis zu 10% teurer als die gleiche Menge Wein in Einzelflaschen. Ein Grund hierfür ist auch, dass der Käufer sicher sein kann, dass der Wein zumindest was die Lichteinwirkung betrifft optimal gelagert war und Etiketten, Korken und Kapseln in perfektem Zustand sind.


Die Kisten tragen das berühmte Steinkreuz, die Flaschen innen sind mit kleinen Strohmatten umwickelt. Perfekt!

Sehr hochwertige Weine werden zudem vor dem Einsetzen in die Kiste als weiterem Schutz mit einem Papier umwickelt. Bei einem hellen Papier würde man Leckspuren sofort erkennen. Um die extremen Qualitäten zu sichern, werden heutzutage die Erntemengen immer weiter reduziert. Viele der besonders gesuchten Produzenten bieten daher immer kleinere Gebinde an, also 6er OHK oder 3er OHK. Manche Flaschen bekommt man auch in 1er OHK, was nun wieder in gewisser Weise an Spielerei grenzt. Anders bei großformatigen Flaschen. Schon bei Magnums sind 1er OHK üblich. Ab der DMAG ist dieses Gebinde dann praktisch Standard, schon aus Gewichtsgründen.

Und wie sieht es in anderen Weinregionen aus? Champagner wird fast ausschließlich in Geschenkkartons angeboten - mit aufwendiger Optik, aber eben Karton. Negativbeispiel ist Dom Pérignon. Die Geschenkbox ist großvolumig, starr und besteht aus jeder Menge Kunststoffmüll, der kaum zu trennen ist. Und dann erst die Magnumflaschen ... Für die Gastronomie gibt es dann noch Kartons, immerhin. Holz findet man erst bei den sehr raren Großflaschen (3 l). Selbst bei Krug ist alles aus Karton und Plastik, bis auf die Einzellagen-Crus wie Clos Du Mesnil. Immerhin weiß man bei LVMH, wie man hochwertig verpackt. Damen im Besitz von LV-Taschen wissen, worum es geht. Auch im Hause Roederer kennt man sich hier aus: die Cristal-Magnums befinden sich in fein geschliffenen Holzkistchen mit einem edlen Lederverschluss auf der Vorderseite. Die Holzfarbe ist beim Rosé übrigens dunkler. Wirkt nun irgendwie doch übertrieben.

In Italien findet man zumindest im Piemont bei Spitzenerzeugern zumeist 6er OHK. Sassicaia in der 12er OHK zu bekommen ist eine klassische Sportart für Weinsammler. Angeblich bevorzugen die Kunden eher kleine Kisten. Logisch, denn je teurer der Wein, desto älter der Käufer. Wenn man ihn sich dann leisten kann, kann man aber 12 Flaschen nicht mehr heben. Trotzdem ein Tipp: es gibt sie wirklich! Richtig kreativ bei den Holzkisten ist Angelo Gaja. Seine Kisten sind rundherum mit Streifennuten versehen und sehen richtig gut aus. Ausrechnet bei Giacomo Conterno mit seinem sagenhaften und bis zu 400.- Euro teuren Monfortino bekommt man einen schlichten Karton. Na ja, den eigentlich auch nicht, denn wer mehr als eine Flasche gleichzeitig sieht, hat sowieso gewonnen. Aber dann die Magnums: sie sind in feinstes, dunkles Eichenholz gekleidet, die wertvolle Kiste lässt sich elegant seitlich aufschieben. Erinnert irgendwie an einen Typ Holzkiste, vor dem wir alle hoffen, noch lange verschont zu bleiben.

Deshalb hier unser Plädoyer für die gute, alte, einfache Holzkiste aus Fichtenholz mit der latenten Gefahr, auch einmal einen Spreißel in die Hand zu bekommen. Sie ermöglicht einfach auf beste Weise eine perfekte und kompakte Lagerung und überzeugt auch ästhetisch. Was gibt es Schöneres als eine Kiste mit einem Brand von Château Pétrus oder Margaux? Naja, klar: die Flaschen innen drin.